von Doris Akrap
Im Hinterhof des Gemeindezentrums der Kreuzberger Mevlana Moschee, die zuletzt wegen eines »Haßpredigers« in den Schlagzeilen war, steht ein weißes Zelt. Dort findet zur Zeit die »Berlin 5. Kitap Fuari«, die »5. Berliner Buchmesse« statt.
Zwar gibt der Veranstalter, der Okusan- Verlag, an, die Räume der Moschee nur wegen der billigen Miete zu nutzen, doch die meisten der hier angebotenen Bücher sind islamische Literatur. Neben dem Koran in bosnischer und islamischen Gelehrtenschriften in türkischer Sprache, finden sich auch islamische Kochbücher auf deutsch. Vor allem jüngere Frauen mit Kopftuch stehen vor den Regalen mit islamischen Ehe- und Familienratgebern. Hier finden sie unter anderem Bücher, in denen man nachlesen kann, daß die Frau den Mann nicht kritisieren dürfe und auf dessen sexuelle Wünsche einzugehen habe. Daneben stehen niedliche Kinderbücher. Die religiöse Erziehung steht im Mittelpunkt der kleinen Messe. So weit, so harmlos?
Dem widerspricht der Befund der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA). Diese hatte vergangene Woche auf der Messe diverse türkische Publikationen mit antisemitischen, verschwörungstheoretischen und den Holocaust relativierenden Inhalten gekauft und der Staatsanwaltschaft übergeben. Bezirksbürgermeisterin Claudia Reinauer forderte die Islamische Föderation, Trägerverein der Moschee am Kottbusser Tor, auf, die Bücher entfernen zu lassen. Burhan Kesici, Vizepräsident des Mili-Görüs nahestehenden Vereins, handelte prompt – die genannten Titel verschwanden aus dem Zelt.
Vor der Intervention der KIgA ist hier jedoch nachweislich die türkische Fassung der vom staatlichen iranischen TV-Kanals Sahar-1 ausgestrahlten TV-Serie Filistinli Zehra ’nin gözleri (Zahras Blaue Augen) verkauft worden. Die Serie handelt von einem jüdischen Ministerpräsidenten, der entführten palästinensischen Kindern Organe entnimmt und einem Mädchen die Augen herausoperiert, um sie seinem Sohn zu überlassen. Das Video fand man bis vergangene Woche im hinteren, schlecht sortierten Teil des Zelts, in dem profane Belletristik, politische und historische Sachbü- cher, Kassetten und Videos angeboten werden. Zwischen Liederbüchern von türkischen Rockstars, Publikationen über PKK, USA, Drogenmafia und Dostojewski. In diesem Bereich fand man die Schriften des ägyptischen Muslimbruders Sayyid Qutb und des türkischen Holocaustleugners Harun Yahya – seine Bücher gibt der Okusan- Verlag heraus. Auch Ahmed Kalkans Propagandawerke wie Müslümanlarin Müslümanlasmasi (Muslimisierung der Muslime), in dem ein Kapitel über »Unsere verjudeten Menschen und die Merkmale der Verjudung« zu finden ist, lagen auf den Büchertischen.
Auf eine einheitliche Linie haben sich die Verantwortlichen auch nach dem Pro- test nicht einigen können. »Sachen gegen Juden und Christen würden wir nie verkaufen wollen«, sagt Nihad Faikoglu, Mitarbeiter des Verlags. Der Fotograf der Jüdischen Allgemeinen ist dennoch nicht gern gesehen. Nach dem ersten Bild wird er gebeten, die Kamera einzupacken. Offizielle, die das Fotografieren angeblich erlauben könnten, tauchen nicht auf. Noch am Sonntag antwortet ein Mitglied der Mevlana-Moschee-Gemeinde auf die Frage der Jüdischen Allgemeinen nach Zahras Augen: »Ich würde das verkaufen, wenn wir es hier hätten.« Am Montag erklärt die Islamische Föderation dagegen, nichts mit der Messe und den antisemitischen Büchern zu tun zu haben.