Herr Sundermeyer, löst ein Verbot der NPD das Problem des Rechtsextremismus?
sundermeyer: Nein. Bei der Forderung nach einem Parteiverbot wird die Diskussion über die NPD, ihre Ziele, ihre Wähler und ihre Herkunft abgewürgt. Das wäre ein Fehler. Man muss über diese Partei reden und sich inhaltlich, ihr auseinandersetzen. Dass die NPD verfassungswidrig ist, daran besteht kein Zweifel.
Was wäre denn falsch an einem Verbot der NPD?
sundermeyer: Im Grunde nichts. Aber die Verbotsfrage steht nicht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit der NPD. Diese Forderung wird reflexartig vorgetragen. Außerdem hoffe ich, dass Deutschland als Demokratie irgendwann einmal erwachsen genug ist, um die Feinde der Demokratie auszuhalten. Und die NPD ist so ein Feind.
Die Verbotsforderung verhindert eine erfolgversprechende Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus?
sundermeyer: Ja. Mit diesem Vorstoß trifft man dort, wo die NPD stark ist und die Menschen sich nicht vom Staat betreut fühlen, auf Ablehnung. In Vorpommern und in der Uckermark ist das zum Beispiel der Fall.
Das klingt, als füllte die NPD eine Leerstelle in der Parteienlandschaft.
sundermeyer: Nein. Die NPD ist eine nationalsozialistische Partei. Sie fordert eine Sozial- und Wirtschaftspolitik, die der der NSDAP ähnelt: gegen Globalisierung, für eine Verstaatlichung, basierend auf einer völkischen Gemeinschaftsstruktur.
Will die NPD in die Mitte der Gesellschaft?
sundermeyer: Sie möchte gern dahin, aber bis auf wenige regionale Ausnahmen ist sie dort noch nicht angekommen. Aber wer sich etwa in Vorpommern umschaut, der erkennt, dass dort langsam eine Parallelgesellschaft nach völkischen Kriterien entsteht. In anderen Gegenden mit ähnlich hoher Arbeitslosigkeit hat die NPD noch nicht so einen Anklang gefunden. Das gilt zum Beispiel für das Ruhrgebiet.
Ist die NPD also eine Ostpartei?
sundermeyer: Ich glaube, dass die DDR das Deutschtum konserviert hat. Dieses Nationalistische fällt in vielen Teilen Ostdeutschlands auf sehr fruchtbaren Boden.
Im Moment hat es den Anschein, dass die NPD sich selbst demontiert.
sundermeyer: Finanziell liegt die Partei völlig am Boden. Das oberste Ziel der NPD ist es daher, wieder in den sächsischen Landtag einzuziehen. Das ermöglicht ihr, an öffentliche Gelder zu kommen. Und diese Mittel werden genutzt, um die NPD am Leben zu erhalten. Denn Spenden gibt es so gut wie keine. Und wenn der Staat bald wegen Unregelmäßigkeiten Rückzahlungen fordern wird, ist das eine weitere Schwächung.
Zerlegt sich die Partei auch personell?
sundermeyer: Der Bundesvorsitzende Udo Voigt konnte den Angriff auf sein Amt gerade noch mal abwenden. Ob das langfristig erfolgreich war, wird sich auf dem Bundesparteitag zeigen. Aber noch steht ein Termin nicht fest.
Welche Rolle spielen »Autonome Nationalisten« oder »Freie Kameradschaften«?
sundermeyer: Die NPD möchte ein Dachverband sein und die gesamte rechte Szene repräsentieren.
Auch gewaltbereite Nazis?
sundermeyer: Ja, auch die. Teilweise sind sie Mitglieder der NPD und stehen auf den Wahllisten. Die Partei ist der parlamentarische Arm dieser rechten Szene. Es gibt die sogenannte Volksfront, das Zusammenwirken der NPD und der Freien Kameradschaften. Dieser Pakt kann der Partei aber jederzeit um die Ohren fliegen, wenn sie sich nicht stark genug um diese freien Kräfte kümmert. Das wiederum bedeutet, dass man selbst bei Gewalttätern Zugeständnisse machen muss.
Welche Rolle spielt der Antisemitismus?
sundermeyer: Eine große. Der Judenhass ist die Klammer, der die gesamte rechte Szene verbindet. Alle Gruppen, und seien sie untereinander auch noch so verfeindet, werden durch den Antisemitismus zusammengeführt. Deswegen funktioniert die Judenfeindschaft in der rechten Szene nicht nur nach außen, sondern vor allem auch als Bindemittel nach innen.
Hilft der Antisemitismus dabei, neue Bündnispartner zu finden, etwa im islamistischen Milieu?
sundermeyer: In der Görlitzer Parteizentrale hängt eine iranische Flagge, und bei einer Demonstration im Ruhrgebiet war auch eine Gruppe von Libanesen dabei. Es gibt gewisse Gemeinsamkeiten, die die NPD nutzt.
Welche Gemeinsamkeiten sind das?
sundermeyer: Die Autonomen Nationalisten zum Beispiel sagen: »Früher Dresden, heute Gasa.« Diesem Satz würden bestimmt auch andere Gruppen der Gesellschaft zustimmen, die sich nicht als Rechte verstehen.
Das Gespräch führte Katrin Richter.
Olaf Sundermeyer ist mit Christoph Ruf Autor des Buches »In der NPD. Reisen in die National Befreite Zone« (C.H. Beck, München 2009. 224 S., 12,95 Euro)