von Barbara Link
»Den Dialog suchen, das Wissen lebendig halten, Brücken zur Verständigung und zum gegenseitigen Verständnis bauen« – dieser Maxime des 2001 verstorbenen Simon Snopkowski hat sich die von ihm gegründete Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition verschrieben. Mit einem Festakt in der Münchner Residenz feierte die Gesellschaft am 6. Oktober ihr 25jähriges Bestehen.
»Ich mußte hier in diesem Land unsere jüdische Kontinuität wahren, anknüpfen an die Zeit vor der Katastrophe.« Dieses Ziel ließ Simon Snopkowski in Deutschland bleiben – obwohl sein Vater und ein Bruder von den Nazis erschossen, seine Mutter, zwei Schwestern und der jüngste Bruder in Auschwitz vergast wurden, obwohl er selbst in einem Nebenlager des KZ Groß-Rosen nur knapp dem Tod entkam.
Es vergingen knapp 40 Jahre bis Snopkowski – drei Jahrzehnte lang Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern – und seine Frau Ilse Ruth die Gesellschaft gründeten. Noch 1981 erschien es dem Ehepaar »als großes Wagnis«, jüdische Kultur und Tradition der nichtjüdischen Bevölkerung bekanntzumachen. Denn das gesellschaftliche und kulturelle Leben fand vorwiegend in den Gemeindehäusern statt. »Wir waren uns nicht darüber im klaren, welches Echo unsere Veranstaltungen in der breiten Öffentlichkeit finden würden«, sagt Ilse Ruth Snopkowski rückblickend. Inzwischen hat sich die Gesellschaft mit Dokumentationsausstellungen jüdischer Geschichte, Vorträgen, Konzerten, Filmen und künstlerischen Dar- bietungen einen festen Platz im Münchner Kulturleben erobert. Im November dieses Jahres wird es die 20. Jüdischen Kulturtage in München geben.
»Simon Snopkowski hat tiefe Lebensspuren in unserem Land hinterlassen«, würdigte Ministerpräsident Edmund Stoiber die Verdienste des Gesellschafts-Gründers. Eine dieser Spuren sei der Staatsvertrag mit dem Freistaat Bayern aus dem Jahr 1997.
Anläßlich des Jubiläums wurde erstmals der von der Gesellschaft gestiftete Simon-Snopkowski-Preis vergeben. Laut Satzung werden mit ihm Forschungsarbeiten zur jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern und zum Holocaust ausgezeichnet. Die erste Preisverleihung war für Projekte an bayerischen Schulen ausgeschrieben worden. Innerhalb von vier Wochen hatten sich 60 Bewerbungen auf dem Schreibtisch von Ilse Ruth Snopkowski angesammelt.
Den ersten Preis erhielt das Ostendorfer Gymnasium in Neumarkt in der Oberpfalz für die Erforschung der Geschichte der Juden in der Stadt am Beispiel der ehemaligen jüdischen Schülerin des Gymnasiums, Ilse Margot Haas. Die Schüler dokumentierten die Biographie des Mädchens, das 1944 im Lager Stutthof ermordet wurde, und von dem anfangs nur Name und Anschrift bekannt waren. Es entstanden die Ausstellung »Grenzenlos« und das Musical »Der letzte Brief«.
»Bei der Arbeit habe ich erlebt, wie sehr jüdische Geschichte mit meiner eigenen Geschichte verknüpft ist«, sagt Michael Dorner, 19 Jahre alt und einer der Musical-Komponisten. Seine Großmutter ging mit Ilse Haas in die Schule. »Das Einschneidendste war festzustellen, der Nationalsozialismus war nicht irgendwo, die Juden waren nicht irgendwo. Es ist alles auch in Neumarkt geschehen.«
Der zweite Preis ging an das Markgraf-Friedrich-Gymnasium Kulmbach, stellvertretend für die Projektgruppe aus dem Gymnasium, der Berufsschule Kulmbach und Obere Schule. Bei Sanierungsarbeiten waren Bauarbeiter am markgräflichen Burggut auf einen Gewölbekeller gestoßen. Durch aktive Beteiligung an den archäologischen Grabungen und wochenlangen Nachforschungen in Archiven erbrachten die Schüler den wissenschaftlichen Nachweis, daß es sich bei den Funden um eine Synagoge und eine Mikwe handelte. Die gesammelten Informationen wurden für ein Faltblatt zusammengestellt, eine Broschüre ist in Arbeit, die Fundstücke werden derzeit archiviert.