von Rainer Heusing
Als Albert Mamriev die Tasten seines Flügels anschlägt, ist längst klar, dass dies ein rundum geglückter Abend wird. Eingeladen dazu hatte die Jüdische Gemeinde Braunschweig. Es galt, an diesem 6. Dezember gleich mehrere Anlässe zu feiern: Chanukka, ein Jahr Neue Synagoge und das fünfjährige Jubiläum Jonah Sievers’ als Rabbiner in Braunschweig. Und hierfür bot das Konzert von Mamriev einen furiosen Rahmen. Dieser Pianist spiele nicht Musik, er lebe sie, hatte die Süddeutsche Zeitung ihn mal beschrieben. Gemeindevorsitzende Renate Wagner-Redding hatte ihn in Hannover gesehen und sofort entschieden, »das wäre ein Künstler für unser Jubiläum«. Sie fragte nach und er kam.
Gekommen waren auch viele Gemeindemitglieder und Braunschweiger Honoratioren. In der voll besetzten Synagoge an der Steinstraße begrüßte die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Braunschweig unter anderen Oberbürgermeister Gert Hoffmann, Bürgermeisterin Friederike Harlfinger, Landesbischof Friedrich Weber und den evangelischen Propst Thomas Hofer.
Vor einem Jahr war die Synagoge im Hof des Gemeindehauses eingeweiht worden. Anlass für Wagner-Redding, daran zu erinnern, dass Synagoge und das auf diese Weise neu gestaltete Gemeindezentrum ohne die vielen Spenden nicht hätten verwirklicht werden können. Die Vorsitzende dankte dem Oberbürgermeister und dem Landesbischof sowie den Kirchengemeinden, die durch Kollekten zum Wiederaufbau der Synagoge beigetragen haben.
Die alte Braunschweiger Synagoge war von den Nationalsozialisten im Jahre 1938 zerstört worden. Angelehnt an dieses Datum hatte die Gemeinde 1.938 sogenannte Synagogen-Bausteine zu je 100 Euro aufgelegt. Und sie alle wurden verkauft. Schüler hatten ihr Taschengeld gespendet, Goldene Hochzeitspaare ihr Jubiläum zum Anlass genommen, bei runden Geburtstagen wurde für die Synagoge gesammelt.
Besonders erfreulich sei, dass nachträglich nun auch das Land Niedersachsen den Wiederaufbauder Synagoge finanziell unterstützen werde, sagte Renate Wagner-Redding. Die Vorsitzende betonte aber auch, dass keine jüdische Gemeinde – ob in Braunschweig oder anderswo – ohne Unterstützung des Staates und der Spender bestehen könne.
Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann nannte in seinem Grußwort, die Neue Synagoge ein »Symbol der Hoffnung auf eine gemeinsame, bessere Zukunft«. Er habe erleben können, dass jüdisches Leben in Braunschweig »wieder Be- standteil des gesellschaftlichen Lebens dieser Stadt« sei. Die Gemeinde hat heute wieder 600 Mitglieder. Während es in anderen Regionen einen hohen Anteil rechtsradikaler Aktivitäten gebe, fehle die Stadt Braunschweig auf dieser Landkarte, betonte Hoffmann.
In dieser schönen neuen Synagoge amtiert Rabbiner Jonah Sievers. Seit dem 1. August 2002 ist er offiziell in Braunschweig tätig. Schon als Student hatte er hier immer wieder ausgeholfen. Seine Arbeit habe in den vergangenen fünf Jahren »sichtbare Früchte nach innen und außen getragen«, betonte Wagner-Redding.
Er habe sich bemüht, den schwierigen Weg zwischen Assimilation und Integration zu beschreiten, sagte Rabbiner Sievers. Neben der Braunschweiger Gemeinde betreut er auch noch die in Hildesheim, Hameln und Bad Nenndorf. In Braunschweig fühlt sich er wohl. Seine persönliche Integration und die seiner Familie ist gelungen.
Es sei vielleicht nicht immer leicht, in der Vorweihnachtszeit vor allem die Kinder auf das Chanukkafest einzustimmen, sprach Sievers die zeitliche Nähe des Chanukkafestes zu Weihnachten an. Als Jude sei man natürlich von dem vorweihnachtlichen Trubel genauso betroffen. Seine Kinder frage er jedoch immer, ob sie lieber an einem oder an acht Tagen feiern, und da sei die Antwort ganz eindeutig, lieber an acht. An diesem Abend entzündete der Rabbiner die dritte Kerze der Chanukkia.
Nun konnte auch das Konzert des Abends beginnnen. Albert Mamriev (33), bot Werke von Liszt, Haydn, Brahms, Chopin und Mendelssohn-Bartholdy. Der Pianist spielte mit einer leidenschaftlichen Hingabe und körperlichen Einsatz bis zur Erschöpfung. Wohlweißlich hatte er vor dem Konzert um eine Nadel für seine Kippa gebeten. »Die hätte er sonst auch verloren«, sagte Wagner-Redding.