von Jan Popp-Sewing
Geht der Pokal nach Köln, München oder Bremen? Bis kurz vor Schluss ist offen, welches der drei Jugendzentren das Jewrovisionsfinale gewinnt. Zumindest haben sie sich auf den ersten drei Plätzen festgesetzt. Als die letzten Jury-Punkte über die Großbildleinwände flimmern, tobt der Saal. 750 Kinder und Jugendliche jubeln, pfeifen, skandieren Slogans »Berlin Olé Olé!«, »Is-ra-el!« und schwenken weiß-blaue Fahnen. Niemanden hält es mehr auf den Sitzen. Die Stimmung ist wie beim großen Vorbild, dem Grand Prix Eurovision de la Chanson.
Mit 139 Punkten gewinnt schließlich der Auftritt des Kölner Jugendzentrums Jachad die Jewrovision, sieben Punkte vor den Bayern (132) und mit deutlichem Abstand vor Bremen (117). Die Gastgeber aus Düsseldorf werden Vorletzte, was sie aber nicht im Geringsten stört, schließlich haben sie im Vorjahr gewonnen und richten deshalb in diesem Jahr die Fete aus. Der kombinierte Gesangs-, Tanz- und Video-Wettbewerb, der am Wochenende in einer ehemaligen Industriehalle in Meerbusch bei Düsseldorf über die Bühne ging, ist inzwischen die größte jüdische Jugendveranstaltung Deutschlands. Teams aus zehn Jugendzentren, von Hamburg und Bremen über Berlin, Frankfurt, Dortmund und Duisburg, Wiesbaden bis München treten gegeneinander an.
Möglich ist das Großevent – immerhin geht es um einen Kostenrahmen von rund 80.000 Euro – durch finanzielle Unterstützung vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Nordrhein, der Düsseldorfer Gemeinde, des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden. Ein wenig kommt auch durch die Eintrittspreise zusammen. Die jungen Fans und Teilnehmer reisen aus ganz Deutschland an. Allein 60 Unterstützer kommen per Bus aus Frankfurt, um ihren Jugendzentrumsauftritt zu unterstützen. Sie alle sind mit fünf bis sechs Euro Eintritt dabei.
Organisiert hat das Ganze das Jugendzentrum Kadima der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, die Vorjahressieger. Deren Jugendleiterin Shira Fleisher ist von der Jewrovision unter dem Motto: »Stars of David« begeistert: »Einfach grandios!, sagt sie. Dabei hatte das zehnköpfige Orga-Team eine große Aufgabe zu bewältigen, galt es doch neben dem Ablauf des Abends und der Koordination der bis zu 25-köpfigen Teilnehmer-Teams, die vielen angereisten Kinder und Jugendlichen samt Betreuern kostensparend unterzubringen. Die meisten finden in der nahen Jugendherberge in Düsseldorf-Oberkassel Unterkunft. Auch musste für den Transport der aufgekratzten Fans mit Shuttlebussen gesorgt werden, ohne dass Kinder dabei etwa verloren gingen.
Nur die Soundanlage spielt nicht ganz mit. Mehrfach fällt sie aus. Als die Kölner Darsteller ihr sorgfältig choreografiertes Tanzstück aufführen – unter anderem zur Musik von »Lollipop« – streikt das Playback. Auch bei ihrem selbst gedrehten Video hakt es. Glücklicherweise sorgt das Domstadt-Team selbst für markante Musik. Jonathan Averbach und David Minkovskij geben nur durch Zungenschnalzen und Atmung in die dicht an die Lippen gehaltenen Mikros einen Hip-Hop-Beat vor. Die Technik nennt sich »Beatboxing«. Marcel Morikawa bearbeitet das Schlagzeug. Diese Einlagen geben wohl den Ausschlag für die vielen Top-Platzierungen, den schon legendären »twelve points« aus der Jury der zehn aktiven und ehemaligen Jugendleiter, die in der ersten Reihe Platz genommen haben. Wie beim großen Vorbild des Schlagerfestivals können sie zwischen ein und zwölf Punkten vergeben. »Zero Points« und den damit verbundenen Ärger gibt es dagegen nicht. Auch die Moderation kommt an. Die Düsseldorfer setzen auf ihren Nachwuchs: Lev Becker und Jana Schames moderieren gekonnt-witzig durch den Abend.
Ein halbes Jahr hat die Kölner Sieger-truppe sich auf ihren Auftritt vorbereitet. »Die Idee kam von den Kindern«, erzählt Jugendzentrumsleiterin Svetlana Furer, umringt von den begeisterten Akteuren. Die Organisation ihrer Show lag bei Victoria Blechmann. Die Konkurrenz ist hart, denn die Zweitplatzierten aus München gehen mit der Geschichte eines jungen Auswanderers an den Start, tänzerisch und musikalisch präsentiert im Stil eines Musicals. Ihren Auftritt beenden sie mit einem Bekenntnis: Sie heben ein Transparent aus zwei aneinandergenähten Fahnen in die Luft: Es sind die Flaggen von Israel und Bayern. Das sorgt auch am Rhein für Applaus.
Auch der Düsseldorfer Rabbiner Julian Chaim Soussan bekennt sich. Kurz bevor die Jury das Abstimmungsergebnis verkündet, greift er zum Mikrofon: »Judentum in Deutschland, wir sagen: ja!« Den Kindern ruft er in Erinnerung, dass sie sich als jüngste Glieder einer 3.400 Jahre alten Kette begreifen sollen. Alle, die dabei seien, könnten sich als Sieger fühlen: »Feiern wir, dass es uns gibt!«
Zum Abschluss bringen die Kölner ihre prämierte Performance noch mal auf die Bühne, mitsamt Beatboxing-Einlage, und diesmal mit funktionierendem Playback. Dann geht’s jubelnd mitsamt Pokal zum Siegerfoto. Im kommenden Jahr wird nun das Kölner Jugendzentrum Jachad Gastgeber der Jewrovision sein.
Während die Älteren anschließend zur Aftershowparty in der Halle blieben, bringen Pendelbusse die jungen Besucher zur Jugendherberge. Müde aber glücklich sind die jungen Fans. Den Abend werden sie wohl nicht so schnell vergessen.