von Katrin Richter
Sie ziehen sich durch Parks in Tel Aviv, durch die Hotelanlagen in Eilat und durch jede noch so kleine Grünanlage in Beer Schewa. Meistens sind sie lila und sehen aus wie kleine Adern. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr, denn durch die dünnen Plastikschläuche fließt das Elixier allen Lebens: Wasser. Die kleinen Pflänzchen, deren Stängel gerade einmal so groß sind wie ein kleiner Finger und deren helle Blättchen noch viel Sonne brauchen, um einmal richtig dunkelgrün zu werden, sind auf die- se künstliche Ernährung angewiesen, denn hier in Beer Schewa regnet es fast nie. Diese kleinen Pflanzen sollen einmal Teil einer Grünfläche werden, die in einem Freizeitpark direkt vor den Toren der Wüstenstadt entsteht. »Das verbessert die Lebensqualität ungemein«, sagt Itai Freeman, Projektleiter des Be’er-Sheva River Park . Und das nicht nur, damit die vermeintlich gestressten Städter mehr Erholung bekommen, sondern auch, weil die Verwüstung gestoppt werden soll. Rund 60 Prozent des Landes sind Wüste, und die wird größer. Doch hier und da tauchen erstaunlicherweise grüne Flecken auf.
Einer davon ist der Yattir-Wald, der vor fast 40 Jahren in der nördlichen Negevwüste angepflanzt wurde. Damals war es beinahe unvorstellbar, dass in den sandigen Böden jemals auch nur ein Baum wachsen würde. Heute bilden die unzähligen Nadelbäume den größten Wald Israels. Doch wenn er sich selbst überlassen bliebe, wäre er sehr bald wieder Wüste.
Yitzhak Moshe, bei Keren Kayemet LeIsrael (KKL) für den Süden Israels verantwortlich, beschäftigt sich zusammen mit seinem Team mit den Folgen der zu- nehmenden Verwüstung. Dabei greifen sie auf Erfahrungen aus der Vergangenheit zurück: auf ein Terrassensystem, das schon von den Römern zur Wasserspeicherung genutzt wurde. Dabei werden die Regenfluten, die sich im Winter in den Wadis, den Bergtälern, sammeln, über mehrere, terrassenförmig angelegte flache Dämme in ein Auffangbecken geleitet. Mit dem gewonnenen Wasser kann der sandige Wüstenboden feucht gehalten werden. »Denn wenn man nicht früh genug die Notbremse zieht, dann ist der Boden der Verwüstung ausgeliefert«, sagt Moshe.
Aber auch in den übrigen Teilen Israels herrscht extremer Wassermangel. Seinen Bedarf deckt das kleine Land aus dem See Genezareth, einem Süßwassersee. Doch sein Spiegel sinkt. Es müssen also Mittel und Wege gefunden werden, wie man Wasser sparen und trotzdem die Wüste begrünen kann. »Das Problem ist die Wasserverschwendung in den privaten Haushalten«, sagt Uri Shani, Professor am Institut für Boden- und Wasserwissenschaften der Hebräischen Universität Jerusalem. Die Einstellung der Israelis zum bewussten Wasserverbrauch sei alles andere als normal. Shani hat einen einfachen Vorschlag, der das Wasserproblem zwar nicht lösen würde, aber doch eindämmen könnte. »Die Leute sollten die Dusche beim Einseifen ausstellen.« Diesen Brauch finde man fast nur noch in Jerusalem, wo er im Unabhängigkeitskrieg eingeführt wurde, bedauert Shani. In Tel Aviv muss sich dieses umweltbewusste Denken noch durchsetzen. In den vergangenen Jahren hat sich die Wassersituation drastisch verschlechtert, denn mehr Menschen bedeuten einen höheren Wasserverbrauch. Leider seien sich nicht alle Neueinwanderer der Wasserknappheit in Israel bewusst, sagt Shani. »Gerade in diesem Winter war es sehr schlimm, es hat kaum geregnet.«
Weiter südlich, in der Nähe des Gasastreifens und der ägyptischen Grenze, liegt Yevul. Die Landschaft ist eintönig, in den sandigen Boden sind kreuz und quer tiefe Reifenabdrücke zu sehen. Plötzlich, hinter einem kleinen Hügel, stehen Gewächshäuser, liegen grüne Felder. »Wir bauen hier unter anderem Kartoffeln an«, sagt Rabbiner Eyal Vered, der, wie die anderen Bewohner der Siedlung, vor zwei Jahren aus dem Gasastreifen hierhergekommen ist. »Der Anfang war sehr schwer. Aber als wir sahen, dass unsere Kinder mit dem Sand spielten, beschlossen wir hierzubleiben.« Heute konzentriert sich die kleine Siedlung mit den kargen Wohnhäusern auf organische Landwirtschaft – mitten in der Wüste. Doch wie will man Felder bewässern, ohne Frischwasser? Uri Shani hat sich auch dieses Problems angenommen. Das Zauberwort heißt Recycling. Benutztes Wasser wird so aufbereitet, dass es zur Bewässerung von Feldern eingesetzt werden kann. Es wird in großen Reservoiren gespeichert. »Bis zum Jahr 2012, sagt Shani, »möchten wir so weit sein, dass wir beim Recycling Trinkwasserqualität erreichen.«
Um die neuesten Errungenschaften in Sachen Wassergewinnung geht es auch in der Arava-Senke im Südosten des Landes. Ronit Ratner besitzt eine Paprikafarm und hat schlechte Neuigkeiten. »Dieses Jahr wird es wohl keine gute israelische Paprika geben, denn wir hatten Frost«, sagt die kleine quirlige Frau, die ihr Gemüse auch nach Europa exportiert. Die rauen Lebensbedingungen zwischen Minustemperaturen und sengender Hitze kommentiert sie so: »Wenn man kein Träumer ist, kann man hier nicht leben.« Denn hier, in dieser faszinierenden Mondlandschaft, scheint an 360 Tagen im Jahr die Sonne. Im Negev gibt es zwar ein unterirdisches Brackwasserreservoir, doch auch das muss erst gereinigt werden, weil es wegen seines Salzgehalts die Böden schädigen könnte. Doch eine Alternative hat Ratner nicht. Weil für sie ist das Brackwasser die einzige Möglichkeit ist, ihre Paprika zu bewässern, freut sich die Gemüsegärtnerin über Regen.
Was des Touristen Leid, ist des Bauern Glück. Regen bedeutet gute Ernte. Wenn es im nächsten Israelurlaub also regnet, dann sollte sich der Gast nicht ärgern – sondern sich auf gute israelische Paprika freuen.