Frau Hirschfeld, Hamburg beteiligt sich erstmals am »Europäischen Tag der Jüdischen Kultur«. Warum?
Zum einen ist der »Europäische Tag der Jüdischen Kultur« seit seiner Gründung 1999 zu einem europäischen Kulturereignis geworden, das nicht nur vom Europarat unterstützt wird, sondern auch von europäischen jüdischen Organisatoren entwickelt wurde, um jüdische Inhalte und jüdisches Kulturerbe im Bewusstsein der Europäer zu verankern. Ich finde, es ist ein hervorragendes Projekt, europaweit darüber zu reden, dass das europäische Judentum nicht nur die europäische Identität mitgeprägt hat, sondern auch heute präsent ist und die Zukunft mit- prägen wird. Deshalb sollten die Europäer mit der jüdischen Kultur in ihrer Mitte vertraut gemacht werden.
Was hat Sie bewogen, sich zu engagieren? Das sind zum Teil persönliche Gründe. Im vorigen Jahr hatte ich mit einigen Freunden, jüdischen Künstlern und Publizisten, das Kunsthaus Finkels, Jüdischer Kulturverein in Hamburg gegründet, als Plattform für kulturelle Veranstaltungen. Danach wurde ich von französischen Freunden darauf an-
gesprochen, dass der »Europäische Tag der Jüdischen Kultur« ideal zu uns passen würde. Und sie hatten recht. Inzwischen nehmen nicht weniger als 28 europäische Länder teil. Wir sind sozusagen von den Fran-
zosen »angeworben« worden.
Welche Vorbilder haben Sie?
Im Jahr 2004 hat es in Hamburg schon einmal eine »Jüdische Kulturwoche« gegeben, die ein großer Erfolg war. Leider blieb sie ein singuläres Ereignis. Man kann, glaube ich, sagen, dass Hamburg mit seiner großen jüdischen Community und auch der großen Kulturszene reif ist für ein jüdisches Festival.
Wie sind Sie die Sache angegangen? Haben Sie zuerst finanziert und dann das Programm zusammengestellt oder umgekehrt?
Als Künstlerin gehe ich von Hause aus na-
türlich immer von den Inhalten aus. So haben wir tatsächlich zunächst einmal ein Programm zusammengestellt. Das war eine Sache von einer halben Stunde. Unser Schatz- meister hat davon gleich vier Veranstaltungen gestrichen. Wir hatten also das Gefühl, nur noch ein »kleines« Programm finanzieren zu müssen. Inzwischen haben wir gelernt, was die viel zitierte Wirtschaftskrise für die Kulturstiftungen in Deutschland bedeutet: Es ist schlicht kein Geld da, weil die Einnahmen der Stiftungen durch Zinsen generiert werden.
Wie haben Sie es dennoch geschafft?
Seit April habe ich jede Klinke jeder noch so kleinen Kulturstiftung geputzt. Hamburg ist die deutsche Stadt mit den meisten Stiftungen überhaupt – und sie haben geholfen. Wir haben Förderanträge gestellt mit kleinen Beträgen: 280, 380 oder 500 Euro. Da ging es mal um einen Zuschuss fürs Personal oder für einen Pianisten. Das war eine aufwendige und intensive Arbeit, aber ich habe viel dabei gelernt – für die Zukunft. Denn wir haben ja vor, den »Europäischen Tag der Jüdischen Kultur«, wie überall in Europa üblich, jetzt jedes Jahr zu veranstalten.
Sie bieten einige Veranstaltungen auch ohne Eintrittspreise an. Hätte man andersnicht vielleicht etwas mehr Geld zusam-
menbekommen?
Die Idee ist, dass es verschiedene Kate-
gorien von Veranstaltungen gibt: Führungen oder Vorträge sollten kostenlos sein. Ausstellungen oder Konzerte können wegen der enormen Organisationskosten nicht kostenlos angeboten werden. Aber wir werden uns auch in Zukunft genau überlegen, ob und was wir einem Publikum mit freiem Eintritt anbieten können. Ein Anliegen des Europatages ist, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die jüdischen Baudenkmäler einer Stadt zu lenken. So finden eine Lesung und ein Vortrag im Rolf-Liebermann-Studio des NDR statt, das vor der Schoa der Israelitische Tempel der Hamburger Reformgemeinde war; wir haben ein Konzert im Spiegelsaal des ehemaligen Budge-Palais, das vor der Schoa ein ein klassischer jüdischer Salon war, heute befindet sich hier das Museum für Kunst und Gewerbe.
Wie viel Einfluss auf die Programmgestaltung hat die jüdische Gemeinde?
In diesem Jahr ist sie unser Kooperationspartner, hat inhaltlich aber noch nicht mitgewirkt. Wir hoffen aber sehr, dass sich das im nächsten Jahr ändern wird und wir auch Zeit für eine inhaltliche Zusammenarbeit finden. Ich denke da besonders an Karin Feingold vom Vorstand der Gemeinde, die ja schon immer ein wunderbares Kulturprogramm für die Gemeinde erstellt hat.
Wen wollen Sie mit Ihrem Programm ansprechen?
Wir wenden uns in zwei Richtungen: Zum einen gibt es in Hamburg eine große jüdische Community über die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde hinaus, die nicht unbedingt religiös ist. Hier leben viele jüdische von Briten, Amerikaner und Israelis. Die möchten wir natürlich einladen. Aber es geht auch um mehr. Wir wollen den interessierten Nachbarn jüdische Kultur na-
hebringen. In der offenen Gesellschaft ist es entscheidend, miteinander zu kommunizieren, sich kennenzulernen. Ich erlebe immer wieder, wie erschreckend das Wissensdefizit über das Judentum in diesem Land ist – und ich rede hier nicht vom berühmten »Durchschnittsbürger«, sondern von akademischen Podiumsteilnehmern. Und ein Drittes, das mir sehr am Herzen liegt: Ich möchte einen Weg bereiten, damit sich die junge Generation hier zu Hause fühlen und sagen kann: Ich bin Jude, und ich bin stolz darauf, wie viel meine Kultur zum modernen, demokratischen Europa beigetragen hat.
Mit der Organisatorin des Hamburger Europäischen Tages der jüdischen Kultur sprach Heide Sobotka.