Tel Aviv

Jahrtausendprojekt

von Ingo Way

Kann man 1.000 Jahre polnisch-jüdische Geschichte in einer einzigen Ausstellung unterbringen? Das Jüdische Museum Warschau hat es versucht. Ergebnis ist die Ausstellung »Polin – Thousand Years of History of the Polish Jews«, die bis Mitte April im Diaspora-Museum Beth Hatefutsoth in Tel Aviv zu sehen ist. Zwei Anlässe werden damit gefeiert: das Polnische Jahr in Israel 2008/2009 und der 30. Geburtstag des Diaspora-Museums. Zum Jubiläum hat sich Beth Hatefutsoth mit einem neuen Ausstellungstrakt beschenkt, der die »Polin«-Ausstellung nun beherbergt.
Ein Dreivierteljahr war das Team des Jüdischen Museums Warschau mit der Planung der Ausstellung beschäftigt, erklärt Agnieszka Rudzinska, Projektleiterin und stellvertretende Direktorin des Warschauer Museums. Die Ausstellung soll einen Vorgeschmack liefern auf das, was eines Tages in Warschau zu sehen sein wird. Inhaltlich ist das Museumskonzept zwar schon längst fertig, der Grundstein wurde bereits 2007 auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos gelegt, doch die Bauarbeiten verzögern sich, sodass mit der Eröffnung voraussichtlich erst 2012 zu rechnen ist. In sieben Abteilungen auf vier Etagen, so Rudzinska, werde der Besucher durch die jüdisch-polnische Geschichte geführt – vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Es gebe historische Ausstellungsstücke, Zeitzeugeninterviews auf Video und eine Datenbank, mit der auf Archivmaterial zugegriffen werden kann. Das alles ist in Tel Aviv nicht zu sehen. Was den Besucher hier erwartet, sind sieben Leinwände, die im Kreis aufgestellt sind und auf denen jeweils ein fünfminütiger Kurzfilm per Videoprojektion vorgeführt wird, den man sich, in bequemen Sitzsäcken liegend, ansehen kann. Jeder dieser Filme entspricht einer der Galerien des künftigen Museums in Warschau.
Der erste Film zeigt die Ankunft der Juden auf dem Gebiet des heutigen Polen im zehnten Jahrhundert, die Gründung der ersten Gemeinde 1085, die große Migrationswelle aus Westeuropa zur Zeit des ersten Kreuzzugs und das Erblühen des jüdischen Lebens unter relativ toleranten Herrschern. Der zweite Film widmet sich dem »Paradisus Judaeorum«, dem Paradies für die Juden, das Polen vom 16. bis zum 17. Jahrhundert gewesen sein muss, als es sich zum Zentrum der jüdischen Welt entwickelte. Diese glückliche Zeit endete 1648 abrupt, als in dem von Bürgerkriegen und Aufständen geschüttelten Land unzählige Juden ermordet wurden. Nun ging die Migrationswelle in die umgekehrte Richtung: nach Westeuropa. Die folgenden Filme haben das 17. und 18. Jahrhundert mit dem zunehmenden Antisemitismus, den Beginn der Moderne bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, die Zwischenkriegszeit, den Holocaust und schließlich die Nachkriegszeit bis zur Gegenwart zum Thema. Die Filme sind in polnischer Sprache mit hebräischen Untertiteln; eine englische Übersetzung gibt es nicht. Kinga Duda, die Kuratorin der Ausstellung, sagt, es sollten vorwiegend jüngere Leute angesprochen werden, daher habe man sich für das Medium Film entschieden. »Für viele junge Polen ist es heute hip, ihre jüdischen Wurzeln zu entdecken.« Die Ausstellung solle modern herüberkommen, aber gleichzeitig wissenschaftlich seriös sein, so Duda. Dennoch wollte man die Filme »nicht mit wissenschaftlicher Information überlasten«, eine Ausstellung sei schließlich kein Buch. Aber auch kein Computerspiel, könnte man erwidern. Die zahlreichen Computeranimationen und Zeichentricksequenzen, die der Besucher zu sehen bekommt, erinnern an die guten alten Legetechnik-Filme des Ostblocks. Die Ausstellung sei als »Teaser« für das Warschauer Museum gedacht, erklärt Duda. So heißen die kurzen Clips, die im Kino für demnächst anlaufende Spielfilme werben. Dies erklärt die Enttäuschung des Besuchers, der eine ausgewachsene Ausstellung erwartet hatte und kein 35-minütiges »arte«-Feature. Doch mit Leben füllen die Tel Aviver Ausstellung zahlreiche begleitende Workshops und Podiumsdiskussionen, bei denen polnische und israelische Journalisten, Wissenschaftler und Architekten miteinander ins Gespräch kommen.

Weitere Informationen unter:
www.bh.org.il
www.jewishmuseum.org.pl

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025

Weimar

Historiker Wagner sieht schwindendes Bewusstsein für NS-Verbrechen

Wagner betonte, wie wichtig es sei, sich im Alltag »gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Muslimfeindlichkeit und gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« zu engagieren

 07.04.2025

Sachsen-Anhalt

Fünf Stolpersteine in Magdeburg gestohlen

Die Tat soll sich am 1. April ereignet haben

 03.04.2025