Eigentlich hatte sie Konzertpianistin werden wollen. Doch dann kam die Perestroika, und ihre Familie stellte einen Ausreiseantrag aus der Sowjetunion. Da war Regina Spektor, geboren 1980, neun Jahre alt. Das Piano, auf dem sie geübt hatte, seit sie sechs war, musste in ihrer Geburtsstadt Moskau zurückbleiben, als die Familie via Österreich und Italien schließlich in der Bronx landete. Dort spielte Regina auf einem verstimmten Klavier in der benachbarten Synagoge weiter – und wurde Liedermacherin. »Ich wollte immer klassische Musik spielen, von Ort zu Ort reisen, neue Programme einstudieren und Stunde um Stunde einfach nur am Klavier sitzen. Heutzutage mache ich das tatsächlich, nur dass ich nicht Mozart oder Chopin spiele, sondern meine eigenen Songs.«
Spektor ging noch in die jüdische Highschool in New Jersey, als sie ihr Songwriter-Talent entdeckte, inspiriert von Musikerinnen wie Ani DiFranco und Joni Mitchell. Später studierte sie am Konservatorium und fing ab 2001 an, mit eigenen Songs aufzutreten, die sie als selbst gebrannte CDs vom Bühnenrand herunter verkaufte. Ihr Debüt nannte sie 11:11. Schon ein halbes Jahr später hatte sie das nächste Album Songs fertig. Richtig in Schwung kam ihre Karriere, als 2002 die CD Soviet Kitsch herauskam. Das Cover zeigt die Rothaarige mit den himmelblauen Augen, bekleidet mit einer Soldatenmütze, die ihr Vater als Soldat im »Großen Vaterländischen Krieg« gegen die Deutschen getragen hatte. Spätestens mit diesem Album hatte Regina Spektor auch ihren unverwechselbaren Stil gefunden, für den man üblicherweise die Schublade »Anti-Folk« bereithält und der die Kritiker zu Vergleichen mit Björk, Tori Amos oder Norah Jones verleitet. Doch das trifft nicht genau den Punkt, weil Regina Spektors Musik einen anderen, eben russisch-jüdischen Hintergrund hat. Noch heute liest die Sängerin russische Bücher im Original und auch Hebräisch kann sie übersetzen.
Regina Spektors Songs basieren auf klugen Texten, die sparsam instrumentiert und oft nur auf dem Piano begleitet werden. Ein Minimalismus, der beim Publikum ankommt. Ihr letztes Album Begin To Hope von 2006 ist eine Million Mal über den Ladentisch gewandert und wurde mit Gold und Platin ausgezeichnet.
Manchen der Titel ist anzumerken, dass die Sängerin regelmäßig in die Synagoge geht. Etwa das Lied Laughin’ with, wo es heißt: »Niemand lacht über Gott/Wenn das Flugzeug unkontrolliert wackelt/Und niemand lacht über Gott/Wenn derjenige, den man liebt, Hand in Hand mit einem anderen geht/Und man noch hofft, man habe sich getäuscht.«
Ihr Jüdischsein definiert Regina Spektor nicht nur im religiösen Sinn. »Als sich meine Mutter einmal an den Antisemitismus erinnerte, der letztlich zur Auswanderung aus der Sowjetunion geführt hat, erzählte sie mir, wie sehr ich schon als Kind jüdisch empfunden habe.« Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. »Die jüdische Frage, sie existiert immer noch. Es gibt immer noch genug Gründe für ein J’accuse.«
Vor wenigen Tagen ist Regina Spektors neues Album Far auf den Markt gekommen, mit dem sie diese Woche durch Deutschland tourt. Auch dort gibt es Jüdisches zu entdecken. Oder man klickt YouTube an und hört dort Regina Spektors Version des Evergreens Eli Eli. Die gibt es leider nicht auf CD. Jonathan Scheiner
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