Schon auf den ersten Blick wirkt diese Grundschule anders als an-
dere: Versteckt in einem Park geht es erst vorbei an ausgedehnten Wiesen, bevor ein großes Tor den Weg versperrt, das von Polizisten bewacht wird. Dahinter führt ein Weg zu einer Villa. Da-
vor ein Sandkasten, in dem kleine Jungen mit Kippa fröhlich buddeln – das Anwesen beherbergt die Jüdische Traditionsschule und den Kindergarten Gan Israel.
Beide Einrichtungen wurden von der Chabad-Lubawitsch-Bewegung gegründet. Als Religionsschule will Schulleiterin Heike Michalak ihr Haus dennoch nicht verstanden wissen. »Chabad war ursprünglich der Träger, nun gibt es einen Förderverein«, erklärt sie. Dennoch gibt es strenge Richtlinien in der Ganztagsschule, was die Kleiderregeln, koscheres Essen und das Ge-
bet betrifft, der Schulkalender richtet sich nach dem jüdischen Kalender. Doch die traditionell jüdische Erziehung ist nicht wirklich das Besondere dieser Schule – vielmehr ist es ihre Sprachförderung: Von der 1. Klasse an lernen die Schüler hier Deutsch, Englisch und Hebräisch.
Deutsch »Damit die Kinder damit nicht überfordert sind, gehen wir an alles erst einmal spielerisch heran«, sagt Schulleiterin Michalak. Die Kinder hätten so weniger Probleme mit der Dreisprachigkeit. Für die Schule ist dabei nicht der Lehrplan eine Herausforderung, sondern der unterschiedliche Hintergrund der Schüler. »Manche kommen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen«, führt die Schulleiterin aus. Die Kinder aus Botschafter- oder Zuwandererfamilien hätten Russisch, Italienisch, Englisch oder Hebräisch als Muttersprache.
Davon zeugen auch die Plakate, die überall in der Schule hängen: Die meisten davon sind mehrsprachig. So informiert etwa ein Poster über das Sommerfest – auf Deutsch und auf Englisch, andere sind in Hebräisch geschrieben. Dennoch, so Mi-
chalak, sei die Schulsprache Deutsch. »Bei manchen Kindern ist das noch nicht im Kopf und sie unterhalten sich weiter auf Hebräisch.« In Klasse 1 bis 3 gebe es daher eine Stunde »Deutsch als Zweitsprache«, kurz »DaZ«, extra, ab Klassenstufe 4 sei diese integriert. Zudem seien die Deutschlehrer immer auch die Klassenlehrer.
Hebräisch Der Hebräisch-Unterricht ist dagegen Teil des Bereichs Judaistik – er wird dem staatlichen Lehrplan aufgesattelt und umfasst Hebräisch und Religionskunde. Konkret bedeutet dies, dass die Schüler der 1. Klasse pro Woche zehn Stunden Ju-
daistik haben, was sich bis auf zwölf Stun-den in der 6. Klasse steigert. Der zeitlich anspruchsvolle Stundenplan sei nur zu be-
wältigen, wenn den Schülern und Eltern vermittelt werde, dass alle Fächer wichtig und an den Glauben gebunden seien, er-
klärt sie: »In Familien, wo es gar keinen Bezug zum Glauben gibt, hat der Besuch der Schule keinen Sinn.«
Englisch Auch, wenn es nach einem anstrengenden Stundenplan klingt, geht das Konzept der Sprachförderung auf – wie sich etwa im Englischunterricht der 6. Klasse beobachten lässt. Hier steht der zwölfjährige Ronen an der Tafel, an die ein buntes Plakat gepinnt ist. Die Collage darauf steht unter dem Titel »My Hero« und zeigt den israelischen Soldaten Roi Klein. Ronen hat darauf erklärt, warum Klein für ihn ein Held ist – auf Englisch: »Er hat das Leben anderer Soldaten im Libanon-Krieg 2006 gerettet, indem er eine Handgranate mit seinem Körper abschirmte.« Andere Schüler haben ihre Mutter, ihre Schwester oder Bill Gates als Helden ausgewählt.
»Ein Schulbuch ist immer nur Mittel und Zweck, eine Einführung«, sagt Englischlehrein Nicole Mylius dazu. »Was bringt es den Kindern zu wissen, welche Helden die Kinder in ihrem Schulbuch haben?« Stattdessen versuche sie, in ihrem Unterricht einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler herzustellen.
Obwohl die Sprachförderung bereits gut funktioniert, hat Schulleiterin Michalak mit ihrem Team nun ein neues Konzept erarbeitet, um die Sprachkompetenz noch zu vertiefen. Dazu gehören etwa Schreibwerkstätten, in denen Kinder für Kinder schreiben, Lesenachmittage und Lesepatenschaften, sowie Kooperationen mit Bi-
bliotheken und Buchläden. Dazu soll die Zusammenarbeit mit der Kindertagesstätte im Erdgeschoss verstärkt werden, um die Sprachkompetenz so früh wie möglich zu fördern. Außerdem sucht Michalak nach einem Sprachtherapeuten als Ansprechpartner für Eltern und Lehrer. Zunächst aber muss sie Gelder akquirieren, um das Konzept umsetzen zu können.
Auch wenn die Finanzierung noch nicht steht, spricht Schulleiterin Michalak mit viel Enthusiasmus von den neuen Plänen. Für sie ist allerdings nicht die Sprachförderung das Besondere – sie schwärmt von ihren 59 Schülern: »Die Kinder hier sind toll. Sie wachsen mit Moralvorstellungen auf, ohne die es Probleme gibt. Das sieht man ja an der aktuellen Bildungspolitik.«