von Sue Fishkoff
Die jüdische Welt hat ein Problem mit der Art und Weise, wie Renee Kaplan sich selbst definiert: Die Mittdreißigerin bezeichnet sich als halbjüdisch. Die Fernsehproduzentin ist die Tochter eines jüdischen Vaters und einer nichtjüdischen Mutter und wurde jüdisch erzogen.
»Ich musste mein Jüdischsein ohne Ende verteidigen: Rabbinern widerstehen, die wollten, dass ich konvertiere, mich über jüdische Männer ärgern, die nicht mit mir ausgehen wollten«, schrieb sie in ihrem Buch »Half/Life: Jewish Tales from Interfaith Homes« (Halb/Leben: Jüdische Erzählungen aus interkonfessionellen Familien). Auch wenn es zwischen den Glaubensrichtungen unterschiedliche Ansichten darüber gibt, was einen Menschen zum Juden macht – Konservative und Orthodoxe zählen nur diejenigen als Juden, die eine jüdische Mutter haben, während sowohl Re-
formbewegung als auch Rekonstruktionisten eine jüdische Abstammung von einem der beiden Elternteilen sanktionieren –, so sind sie doch einig in der Ablehnung des Begriffs »Halbjudentum«.
Aber der Begriff »halbjüdisch« wird immer öfter verwendet – vor allem von Menschen, die einen jüdischen Vater und eine nichtjüdische Mutter haben. Nachkommen aus Mischehen sagen, sie brächten es einfach nicht fertig, der nichtjüdischen Hälfte ihrer Identität den Rücken zuzukehren. Auch wenn ihnen der Rabbiner sage, sie seien jüdisch, tief drinnen sind sie auch das, was immer Großmutter und Großvater sind. Diese Aufgeschlossenheit einer Mehrfachidentität gegenüber ist laut Daniel Klein und Freke Vuijst, die für ihr 2000 erschienenes Buch »The Half-Jewish Book« hunderte Studenten interviewten, unter US-Collegestudenten besonders häufig anzutreffen. Klein sagt, diejenigen, die sich selbst halbjüdisch nennen, »verstehen sich als Kombination, als Amalgam, als bikulturell«.
Eine Umfrage aus dem Jahr 2005 ergab, dass 48 Prozent der Collegestudenten, die sich als Juden betrachten, aus Mischehe-Familien stammten. Aus dieser Gruppe erwachse eine neue Subkultur, bestehend aus »Menschen, die von beiden Seiten ih-
rer Herkunft profitieren wollen und die ihre beiden kulturellen Hälften zu einer außergewöhnlichen neuen Identität verschmelzen«, schreiben die Verfasser.
Klein erzählt, seine 27-jährige Tochter betrachte sich als halbjüdisch, obwohl er und Vuijst sie als Jüdin erzogen hätten. Sie widmete ihre Batmizwa-Rede den holländischen Großeltern, die als »Gerechte der Völker« geehrt werden, da sie während des Holocausts Juden retteten.
Einige derer, die sich als »halbjüdisch« bezeichnen, fühlen sich innerlich zerrissen. Georgiana Cohen, 27-jährige Web-Content-Spezialistin in Somerville, Massachusetts, wurde von einer nichtjüdischen Mutter erzogen. »Diese Erfahrung, sagt sie, »legitimierte einen Familiennamen, den ich mit mir herumtrug wie einen falschen Personalausweis«. Der Widerspruch zwischen dem Leben zu Hause und dem in der Schule war gravierend, erinnert sie sich. Heute nennt sie sich, etwas frivol, »halb jüdisch und halb ›Ergänzen Sie das Fehlende‹«.
Einige selbst ernannte Halbjuden empfinden Zorn, während sie um ihre Zugehörigkeit zu jüdischen Glaubensgemeinschaften kämpfen, die ihre Doppeliden-
tität ablehnen. Im Jahr 2006 rief der Aktivist Robin Margolis das »halbjüdische Netzwerk« ins Leben, eine Online-Gemeinde, bei der alle, die jüdische Familienverbindungen haben, zu Wort kommen können, ganz gleich, ob sie sich als jüdisch, halbjüdisch, christlich oder als gar nichts empfinden. »Viele dieser Menschen werden von Organisationen willkommen geheißen, die als Erstes eine Entscheidung fordern; wollen sie sich nicht festlegen, sind sie nicht willkommen«, sagt Margolis, der eine Synagoge der Jüdischen Erneuerungsbewegung besucht.
Es gibt auch »halbjüdische« Aktivisten, die davon überzeugt sind, dass die Demografie den Sieg über die Tradition davontragen wird. Laut einer Umfrage zur Entwicklung der jüdischen Bevölkerung von 2000/2001 geht beinahe die Hälfte aller amerikanischen Juden Mischehen ein. Mehr und mehr interkonfessionelle Familien behaupten ihren Platz in der jüdischen Gemeinschaft, und ihr Einfluss darauf, wie diese Gemeinschaft die Identität von Mischfamilien definiert, wächst. »Bis 2030 stellen wir die jüdische Mehrheit in diesem Land«, sagt Margolis. »Dann werden die Karten neu verteilt. Wenn wir in der Mehrheit sind, werden wir darüber entscheiden, wer Jude ist.«
www.half-jewish.net