Purer Populismus
von Sergey Lagodinsky
Diskussionen über anti-israelische Ressentiments laufen meist nach dem gleichen Schema ab. Es wird behauptet, es handle sich bloß um legitime Kritik, und die gehöre zu wahrer Freundschaft dazu. Vielleicht werden jüdische Stimmen zitiert, die ja »noch schonungsloser« seien. Und doch ist mit der jüngsten Entwicklung eine neue Qualität erreicht, feiert doch mit der Linkspartei ein populistischer Antiimperialismus den Einzug auf Deutschlands politische Bühne. Gefährlich ist dies vor allem in der Außenpolitik, wo die Kosten des Populismus für die Wähler erst langfristig spürbar werden. Der außenpolitische Populismus der Linkspartei ist mit zwei Namen – Oskar Lafontaine und Norman Paech – und einer Strömung verbunden: der antizionistischen, radikalen Bewegung »Linksruck«.
Nachdem Lafontaine kein zweiter Schröder werden konnte, will er nun ein zweiter Möllemann sein. Allzu schwierig ist das nicht, eignet sich doch das Thema Israel stets dazu, die dunklen Seiten der »Volksseele« anzuzapfen. Und so wird die Kritik an Israel zu einer Mischung aus völkerrechtlichem Formalismus und Politsatire. Was nutzen alle Lippenbekenntnisse zum Existenzrecht Israels, wenn für den Parteivorsitzenden in der Gründung des jüdischen Staates die »historische Schuld« der Deutschen gegenüber den Palästinensern besteht? So wird die Geschichte verdreht und eine faktische Delegitimierung Israels vorangetrieben. Gearbeitet wird mit kruden Gleichsetzungen (wie zwischen Israel und Terroristen) und Unterstellungen wider besseres Wissen (wie dem Vorwurf, Israel respektiere den Atomwaffensperrvertrag nicht, dem es nie beigetreten ist).
Die ideologische Munition für diese Strategie liefert der außenpolitische Sprecher der Fraktion Norman Paech. Der Jurist ist ein Meister der Verschmelzung von Völkerrecht und Populismus. Die normativen Aussagen des Völkerrechts legt er im angeblichen Bemühen um »Neutralität« streng formalistisch aus. Dabei fallen die Unterschiede zwischen verschiedenen Akteuren sowie die Berücksichtigung ihrer jeweils besonderen Lage unter den Tisch. Die Anerkennung Israels durch die USA und die Europäer 1948 war für Paech eine »begründbare« (nicht begründete!) Entscheidung. Und das Existenzrecht Israels sei eine Frage, die erst durch Verhandlungen mit den Palästinensern zu klären wäre.
Deutliche Worte findet Paech allein für die Aktionen der Israelis. Diese bezeichnete er (passenderweise in einer Rede am Grab der NS-Opfer in Salzgitter) als »Programm der Vergeltung, der Rache und des Terrors«. Überhaupt werden in seinen Reden und Aufsätzen Begriffe wie Terror, Konfiskation und Vertreibung ausschließlich im Zusammenhang mit Israel benutzt. Die beiden »Organisationen« (Hamas und Hisbollah) werden als Produkt der israelischen Politik bezeichnet, einer Politik, die »immer wieder den Weg zum Frieden verschüttet hat«. Diesen Weg will man nun freiräumen, indem man die Hamas zu Konferenzen einlädt.
Von hier ist der Sprung zu rechts- wie linksradikalen Antizionisten nicht mehr groß. Letztere sind schon längst mit von der Partie. Die radikale Bewegung Linksruck ist seit Langem dafür bekannt, Terror als Widerstand zu bezeichnen und Israel als »Unterdrückerstaat« zu brandmarken. Nun sitzt die Linksruckfunktionärin Christina Buchholz im Vorstand der Linkspartei und zahlreiche ihrer Genossen als Mitarbeiter in den Büros der Abgeordneten.
Interessant, dass die PDS sich die meisten der Anti-Israel-Populisten ausgerechnet im demokratisch geübten Westen eingefangen hat. Nun wird man sie nach der Verschmelzung mit der WASG kaum mehr los und muss sich damit abfinden, dass die Partei, die ohnehin keinen astreinen Ruf genießt, nun auch als antiisraelisch gilt. Wenn Linksruck und Lafontaine der Preis für das Ticket in den Westen sind, braucht die Linke sich auch nicht über ihr neues Anti-Israel-Image zu wundern. »Paech« gehabt!
Gegen Gewalt
von Bodo Ramelow
Ich möchte eine Unterscheidung treffen zwischen unserem Verhältnis als Deutsche zur jüdischen Gemeinschaft in unserem Land und weltweit und unserer außenpolitischen Verantwortung dem Staat Israel gegenüber. Hier gilt es zwei Aspekte zu unterscheiden: Deutschland muss seinen Beitrag dazu leisten, dass der Staat Israel in seiner Existenz durch nichts und niemanden in Frage gestellt wird. Und: Deutschland kann und soll zur Deeskalation und Vermittlung beitragen. Deutschlands Handeln in diesem Konflikt wird immer im Zusammenhang mit unserer historischen Verantwortung stehen und auch international so gesehen werden. Rassenwahn und Völkermord sind eine schwere Last unserer Vergangenheit und die Grundlage unserer heutigen Verantwortung dafür, dass sich solches niemals und nirgendwo wiederholen darf. Diese Einsicht beschreibt eine besondere Rolle Deutschlands in der Welt.
Im Bewusstsein unserer Vergangenheit müssen wir uns um einen nüchternen Standpunkt bemühen. Nur so bleiben wir unabhängig genug, um als Vermittler wirksam sein zu können. Waffenlieferungen Deutschlands in diese Krisenregion machen uns jedoch für jede Vermittlerrolle untauglich. Wir sind der Ansicht, dass Deutschland seinen Beitrag zur Sicherung Israels auf diplomatischem Weg leisten muss: durch die Unterstützung des Friedensprozesses. Diese Position beinhaltet, dass wir jedwede Gewaltanwendung ablehnen, egal, durch welche Seite sie begangen wird. Die Konfliktlinie läuft für uns weder zwischen »Befreiungsbewegung und Staatsterrorismus« noch zwischen »Terrorismus und staatlicher Notwehr«. Für uns geht es um die Ächtung von Gewalt.
Die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag hat sich auf drei Prinzipien verständigt. 1.) Das Primat des Existenzrechts Israels im Einklang mit dem Völkerrecht: Das Existenzrecht Israels in gesicherten und international anerkannten Grenzen, die durch das Völkerrecht beschrieben sind, ist unantastbar. Unser Ziel ist die Zweistaatenlösung, d.h. die Errichtung eines selbstständigen, freien und lebensfähigen, von Israel und der Staatengemeinschaft anerkannten Palästinenserstaates. 2.) Unrecht kann nicht durch Unrecht geheilt werden: Wir wenden uns gegen jede Form der Gewalt oder der Vertreibung. Gewalt darf keine Option der Politik sein, denn Gewalt bringt immer neues Leid hervor und verringert die Chancen zur Aussöhnung. Diese Aussöhnung wollen wir erreichen: zwischen Israelis und Palästinensern, arabischen Christen und Drusen, jüdischen Siedlern und der »Frieden jetzt«-Bewegung. 3.) Wer diese beiden Prämissen akzeptiert, ist unser Gesprächspartner. Mit Staaten oder nichtstaatlichen Organisationen, die das Recht von Israelis und Palästinensern auf ein friedliches Miteinander in zwei Staaten in Abrede stellen oder gar bekämpfen, werden wir nicht zusammenarbeiten. Wir müssen aber alles daran setzen, auch in solchen Kreisen für unsere Prinzipien zu werben.
Das ist übrigens der Grund, warum wir anfänglich Gespräche mit Vertretern des Iran für möglich gehalten haben. Die sogenannte Holocaust-Konferenz in Teheran war jedoch der Grund dafür, dass Oskar Lafontaine seine Reise in den Iran schließlich abgesagt hat: als deutliche Abgrenzung zu dem Versuch des gegenwärtigen Regimes im Iran, den Holocaust zu relativieren. Wir sind uns jedoch des grundsätzlichen Dilemmas bewusst: Wie soll man wirksam für Frieden eintreten, wenn man keine Gespräche führt? Wie soll man das Potenzial der Gutwilligen stärken, wenn man durch Besuche keine Zeichen der Solidarität setzt?
Die Schoa in ihrer historischen Einzigartigkeit darf in Deutschland nie in Vergessenheit geraten. Diese Erfahrung verpflichtet zu einem entschiedenen Eintreten ge- gen jede Form von Antisemitismus. Wenn Nazis in deutsche Parlamente einziehen und Rassismus und Antisemitismus wieder gesellschaftsfähig werden, dann müssen wir konsequent dagegen vorgehen. Dabei suchen wir den Schulterschluss mit der jüdischen Gemeinschaft in all ihrer Vielfalt in Deutschland und auf der ganzen Welt.
Auch in den eigenen Reihen muss DIE LINKE wachsam sein. Wir scheuen Diskussionen innerhalb unserer Partei nicht, wenn es darum geht, unsere kompromisslose Haltung gegen Antisemitismus zu erläutern und durchzusetzen. Hier sind kritische Nachfragen durch jüdische Organisationen hilfreich und wertvoll. Nur so kann gute Zusammenarbeit funktionieren. Dass wir uns darum sehr bemühen, belegt unsere Unterstützung des Zentralrats der Juden, als die Deutsche Bahn die Rolle der Reichsbahn bei den Todestransporten jüdischer Kinder nicht in einer Ausstellung auf deutschen Bahnhöfen aufgearbeitet sehen wollte.
An der Renaissance jüdischen Lebens in Deutschland wollen wir aktiv mitwirken. Die Vielfalt jüdischen Ausdrucks in unserem Land ist uns wichtig. Deshalb unterstützen wir es, wenn in Deutschland wieder Rabbiner und jüdische Kantoren ausge- bildet werden, um das Gemeindeleben zu stützen und die geistige Kraft des Judentums zu entwickeln. Die zentrale Schlussfolgerung aus den Erfahrungen der Vergangenheit heißt: Nein zu Rüstung und zu Waffenexporten! Aber auch eine aktive Verantwortung, dass der Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus gelingt.