Avigdor Lieberman

Israels Haider

von Sabine Brandes

Die Fernsehspots versuchen nicht einmal, irgendetwas zu beschönigen: Araber seien keine loyalen Israelis, verlogen und böse. Rassenhetze wäre das passende Wort für diese Art von Wahlwerbung, doch wenn er überhaupt zu hören ist, der Aufschrei im Land ist verhalten. Initiator der Kampagne ist Avigdor Lieberman, Vorsitzender der Partei »Israel Beiteinu« (»Unser Heim Israel«), die sich selbst als die Partei der Sowjetimmigranten beschreibt.
»Haider aus Österreich ist tot, in Israel lebt er weiter«, schrieb der Journalist Jossi Sarid am vergangenen Wochenende über ihn. Wer wird seinen Vormarsch auf Jerusalem stoppen?, fragte er entsetzt. Zipi Livni wohl nicht, sie verkündete zur selben Zeit, dass sie sich eine Zusammenarbeit durchaus vorstellen könne. Dass er in Netanjahus Sphäre passt, ist spätestens seit der Aufnahme des Rechtsaußen-Politikers Mosche Feiglin in den Likud klar. Ehud Barak machte zwar unmissverständlich deutlich, dass es ein »Barak-Lieberman« nicht geben werde. Doch hat Israel Beiteinu die Awoda längst auf den vierten Rang verdrängt. Die einzige Partei, die ernsthaft versucht, Lieberman seine jüdisch-patriotische Maske herunterzureißen, ist die linksgerichtete Meretz. Doch sie ist klein – und allein.
Der Tradition folgend wählten die Im-
migranten aus der ehemaligen Sowjetunion vor allem Köpfe, Parteiprogramme interessierten sie wenig, weiß Yitzhak Brudny, Politikprofessor und Spezialist für Immigrantenwähler an der Hebräischen Universität in Jerusalem. »Darauf zählt Lie-berman und lässt den starken Mann raushängen. Er ist ein unverbesserlicher Extremist.« Es scheint zu funktionieren. Keine Partei hat nach der Gasaoffensive derart zugelegt wie seine. Während Kadima und die Arbeitspartei hofften, vom militärischen Erfolg zu profitieren, nahm der ge-
bürtige Moldawier die Welle geschickt und reitet seitdem mit breitem Lächeln in Richtung drittstärkste Partei und Regierungsbeteiligung. 2006 holte er neun der 120 Knessetsitze, bei den kommenden Wahlen dürften es mindestens 15 sein.
Gemeinsam mit der Nationalen Union hatte Lieberman den Antrag zum Ausschluss der arabischen Parteien Taal und Balad im Wahlkomitee eingebracht. Den Taal-Vorsitzenden Achmed Tibi be-
schimpfte er als »Terroristen, der es verdient, als solcher behandelt zu werden«. Für gewöhnlich achtet Lieberman wenig auf seine Ausdrucksweise. Von arabischen Einwohnern mit israelischem Pass will die Partei ein schriftliches Loyalitätsbekenntnis zum jüdischen Staat verlangen. Sonst hätten sie in Israel »nichts zu suchen«. Dass etwa 30 Prozent seiner eigenen Wähler, aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert, keine Juden sind, verschweigt Lieberman geflissentlich.
»Praktisch will er eine ethnische Lö-
sung«, erläutert Brudny. »Zwei getrennte Staaten, wobei ein Teil israelisch-arabischer Dörfer und Städte zu den palästinensischen Gebieten gehören würden, jüdische Siedlungen aber bestehen blieben. Es wäre nichts anderes als ein Transfer der Araber«. Friedensgespräche mit den Palästinensern lehnt Lieberman stets kategorisch ab.
Geboren ist er 1958, mit 20 Jahren wanderte er von Moldawien nach Israel ein. An der Hebräischen Universität studierte er Sozialwissenschaften. Brudny, ein ehemaliger Kommilitone, erinnert sich: »Er mochte schon damals Faustkämpfe, legte sich immer mit Andersdenkenden an. Die feine Art des Dialogs war seine Sache nicht.« Bei einer dieser Auseinandersetzungen ging das Büro eines arabischen Universitätsprofessors in Flammen auf. Die Haudrauf-Taktik hat der 50-Jährige bis heute beibehalten. Mit der Hamas solle man gnadenlos vorgehen, schlug er vor und »Gasa so platt machen, wie es einst die USA mit Hiroschima getan haben«.
Zum ersten Mal trat Israel Beiteinu 1999 auf dem israelischen Politparkett in Erscheinung, und prompt beförderten die Einwanderer die Partei mit vier Sitzen in die Knesset. Zweimal hatte der Vorsitzende den Posten des Verkehrsministers inne. 2006 holte ihn Olmert als Strategieminis-ter in sein Kabinett und ernannte ihn obendrauf zum Vizepremier. Im Januar 2008 jedoch verließ er die Regierung aus Protest gegen Olmerts Verhandlungen mit den Palästinensern.
Neben den zahllosen Wahlplakaten ist das bärtige Konterfei momentan überdurchschnittlich oft auf Titelseiten der lokalen Zeitungen zu sehen. Diese Propaganda allerdings dürfte ihn wenig freuen. Gegen Liebermann und seine Tochter Michal wird wegen Betruges und des Verdachts der Geldwäsche ermittelt. Sein Kommentar: »Natürlich habe ich nichts Falsches getan. Es ist eine Schmutzkampagne gegen mich.« Die Wähler glauben ihm, bislang hat ihm die schlechte Presse keine Einbußen beschert. Eher im Gegenteil. Politikprofessor Brudny wundert sich nicht: »Auch diese Geschichte wird Lieberman im Endeffekt für sich nutzen können.«

Kultur

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