Jakov Lind

Ironie des Überlebens

von Michael Wuliger

Heinz Landwirth war elf Jahre alt »als die Deutschen eines Freitagsmorgens in Österreich einmarschierten. Der Krieg gegen die Juden begann praktisch tags drauf. Am Samstag war ganz Wien ein einziges Hakenkreuz.« Seine Eltern schickten ihn mit einem Kindertransport in die Niederlande in vermeintliche Sicherheit. Zwei Jahre später fiel auch dort Hitlers Wehrmacht ein. Aus Heinz Landwirth wurde dank falscher Papiere Jan Gerrit Overbeek, der als Schiffsjunge auf Rheindampfern arbeitete und kurz vor Kriegsende sogar als Kurier für Görings Reichsluftfahrtministerium. Die nächste Station war Palästina, wo Jaakov Chaklan, wie er sich inzwischen nannte, im Unabhängigkeitskrieg 1948 kämpfte, dann als Strandfotograf, Orangenverkäufer, Privatdetektiv und Übersetzer arbeitete, bis er 1950 über Amsterdam und Wien nach London ging, wo er unter dem Namen Jakov Lind seither sommers lebt und arbeitet. Die Wintermonate verbringt er statt im nasskalten England lieber im mallorquinischen Künstlerort Deià.
Ein Dutzend Bücher, dazu Theaterstü-cke, Hörspiele und Filmdrehbücher hat Jakov Lind verfasst. Sie drehen sich meist um das blutige 20. Jahrhundert. Schon in seinem ersten in Deutschland erschienenen Buch, dem Erzählungsband Eine Seele aus Holz 1962, verarbeitete Lind seine Erlebnisse während der Schoa. Was ihn von anderen literarischen Chronisten der Verfolgung allerdings unterscheidet, ist, dass er nicht aus der Opferperspektive schreibt, sondern aus der Sicht »des scheinbar gutgelaunten und fast übermütigen Schelms«, so Marcel Reich-Ranicki 1970 in seiner Rezension des ersten Bands von Jakov Linds Erinnerungen Selbstporträt. Das Buch ist, wie die Nachfolgebände Nahaufnahme 1973 und Im Gegenwind 1997, aus dem Englischen übersetzt. Seit Ende der sechziger Jahre ist Jakov Lind kein deutschsprachiger Autor mehr, will es bewusst nicht sein: »Wer meine Muttersprache sieht, weiche ihr aus oder bringe sie um, oder übersetze sie in normale Sprache noch ehe man sie ausspricht.«
Dieser Bruch mit dem Deutschen könnte auch mit der Rezeption von Linds Werk zu tun haben. Zwar wurden seine Bücher von Kritikern wie Reich-Ranicki und En-zensberger gelobt, doch konnten sie sich am Lesemarkt nie durchsetzen. Anders in Großbritannien und den USA, wo etwa die Theaterfassung seines in Deutschland unverstandenen Romans Eine bessere Welt unter dem Titel Ergo ein Erfolg war.
Um Jakov Lind ist es mittlerweile still geworden. Seit inzwischen fast zehn Jahren ist kein neues Buch oder Stück von ihm mehr erschienen. Er schreibt nicht mehr, er malt. Seine Aquarelle wurden erfolgreich in verschieden Galerien ausgestellt, an Kunsthochschulen hat er Lehraufträge. Am 10. Februar feiert dieser im Wortsinn Überlebenskünstler seinen achtzigsten Geburtstag.

Berlin

Zentralrat der Muslime verurteilt Attacke am Holocaust-Mahnmal         

Am Freitag wurde ein Mann am Holocaust-Mahnmal in Berlin Opfer einer Messerattacke. Ermittler gehen von einem antisemitischen Hintergrund aus

 24.02.2025

Bundestagswahl

Orban gratuliert Weidel - und nicht Merz  

Ungarns Regierungschef hat AfD-Chefin Weidel kürzlich wie einen Staatsgast empfangen. Sie ist auch diejenige, an die er nach der Wahl in Deutschland seine Glückwünsche richtet

 24.02.2025

Berlin

Jens Spahn: Gespräche über Koalition können sehr schnell beginnen

CDU-Chef und Wahlsieger Merz will bis Ostern eine neue Regierung bilden. Bereits diese Woche soll es erste Gespräche geben

 24.02.2025

Berlin

Baerbock über Bibas-Familie: »Ihr Schmerz ist kaum zu ertragen«

Die Außenministerin kritisierte auch die Hamas dafür, die lebenden Geiseln vorzuführen

 22.02.2025

Wittenberg

Luthergedenkstätten untersuchen ihre Sammlung auf NS-Raubgut

Zwischen 1933 und 1945 erworbene Objekte werden analysiert

 19.02.2025

Braunau

Streit über belastete Straßennamen im Hitler-Geburtsort

Das österreichische Braunau am Inn tut sich weiter schwer mit seiner Vergangenheit. Mehrere Straßen tragen nach wie vor die Namen bekannter NS-Größen. Das soll sich nun ändern

 13.02.2025

Bund-Länder-Kommission

Antisemitismusbeauftragte fürchten um Finanzierung von Projekten

Weil durch den Bruch der Ampel-Koalition im vergangenen Jahr kein Haushalt mehr beschlossen wurde, gilt für 2025 zunächst eine vorläufige Haushaltsplanung

 12.02.2025

Österreich

Koalitionsgespräche gescheitert - doch kein Kanzler Kickl?

Der FPÖ-Chef hat Bundespräsident Van der Bellen über das Scheitern der Gespräche informiert

 12.02.2025

Düsseldorf

Jüdische Zukunft: Panel-Diskussion mit Charlotte Knobloch

Auf dem Podium sitzen auch Hetty Berg, Armin Nassehi und Philipp Peyman Engel

 11.02.2025