Ins Heute
zurückgeholt
Fenster erinnern an
jüdische Bewohner der Augustenstraße
Die Häuser in der Augustenstraße 15 und 17 stehen leer. Ende Juli sollen sie abgerissen werden. Doch ihre Fensterfront lebt. In den sechs Schaufenstern sieht der Passant großformatige historische Aufnahmen von 16 Wohnhäusern. Darüber hinaus erhält er Detailinformationen, wer hier gelebt hat, liest Kurzbiografien der jüdischen Bewohner, die während der NS-Zeit in München verfolgt wurden und wie es ihnen erging. Klaus Bäumler, der Vorsitzende des Bezirksausschusses Maxvorstadt, knüpfte mit seiner jüngsten Initiative an ein früheres Projekt an.
Die Bilder, die jetzt dem Fußgänger auffallen, waren von der Ausstellung »München arisiert« übrig geblieben. Bäumler nutzte die Chance, schon im August 2004 die großformatigen Fotos vor den Häusern selbst aufzustellen. Damals wie heute erregen sie Aufmerksamkeit. Das sollen sie auch. Bäumler möchte den Verjagten und Ermordeten ihre Namen wiedergeben, die Orte benennen, aus denen sie herausgerissen worden waren, »die Erinnerung in den öffentlichen Raum zurückzuholen«.
Das hat Bäumler mit seiner jüngsten Aktion besonders gut verdeutlicht. Denn die Schaufensterfront befindet sich genau gegenüber dem Städtischen Leihhaus. Vor fast 70 Jahren mussten hier die Entrechteten alle persönlichen Wertgegenstände aus Gold, Silber und Edelsteinen abliefern. Opfer- und Täterorte stehen sich im wahrsten Sinne gegenüber. Wer sich auch zu Hause daran erinnern will, kann ein Poster im DIN A 1-Format, das die Gebäude einst und jetzt zeigt, im Tabak- und Zeitungsladen, Augustenstraße 11, gegen eine Schutzgebühr kaufen. Rekonstruiert konnten die Schicksale der jüdischen Geschäftsleute, Handwerker und Bewohnern anhand von Angaben aus dem »Biographi- schen Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945« werden.
Man könne den Wert eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Geschichte gar nicht hoch genug schätzen. Durch das hartnäckige Engagement, sagte der Historiker Andreas Heusler bei der Eröffnung des Erinnerungsprojektes Augustenstraße, werde eine Form des historischen Diskurses in Gang gehalten, »der nicht nur unsere historische Wahrnehmung und unsere Identität zu dem ›Ort München‹ schärft, sondern auch unser Gefühl für verantwortliches Handeln in der Gegenwart verfeinert.« Ellen Presser