von Wolfgang Jung
Zwei zentrale Botschaften gehen von der Einweihung des jüdischen Gemeindezentrums Shalom Europa in Würzburg aus: »Die Zeiten sind vorbei, in denen sich jüdisches Leben verborgen hat«, sagte Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Das ist unser Staat. Den lassen wir uns nicht von Rechtsradikalen beschädigen«, warnte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber.
Die Festgesellschaft im David-Schuster-Saal von Shalom Europa war illuster: je ein Bundes- und ein Landesminister, Abgeordnete des Bayerischen Landtags, zahlreiche Kommunalpolitiker aus Unterfranken, hohe Geistliche der evangelischen, katholischen und griechisch-orthodoxen Kirche. Es war ein Tag, von dem der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde in Würzburg und Unterfranken, Josef Schuster, sagte: »Die Verschleppten und Ermordeten hätten nie von ihm zu träumen gewagt«.
Der Festakt im neuen Gemeindezentrum in der Valentin-Becker-Straße war einerseits geprägt von der »Freude über die Renaissance jüdischen Lebens in Bayern«, wie Stoiber es nannte, und andererseits von deutlichen Kampfansagen an die extreme Rechte. Wer von bedauerlichen Einzelfällen spreche, verharmlose eine Gefahr, warnte Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch. Eine Blamage für die Demokratie sei es, wenn Rechtsextreme von »national befreiten Zonen« reden könnten. Das habe Deutschland nicht verdient. »Judenhaß und Rechtsextremismus sind nicht nur ein jüdisches Problem«, sondern »eine Gefahr für alle«, warnte Knobloch. »Deutschland muß sich von dieser häßlichen Geisel befreien.«
Die Zentralratspräsidentin sprach auch hier in Würzburg von einem Wiedererstarken des Antisemitismus in Deutschland. Die Frage, ob Juden in der Republik sicher seien, bejahte Knobloch, vorausgesetzt, daß sie »weiterhin so auf die öffentlichen Stellen vertrauen könnten wie bisher«. Selbstverständlich müsse man acht- geben und »über diese Gefahr nicht nur sprechen, sondern auch handeln«. Charlotte Knobloch wiederholte ihren Vorschlag, im schulischen Unterricht mehr über den Aufstieg des Nationalsozialismus vor der Machtergreifung 1933 zu reden. Hitler habe schließlich nicht geputscht, sondern viele Deutsche wählten ihn.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber nannte das neue Gemeindezentrum Shalom Europa einen »Meilenstein für Würzburg, Unterfranken und Bayern« und ein »herausragendes Symbol deutsch-jüdischer Aussöhnung«. Er sprach beinahe staunend von der Entwicklung der vergangenen 60 Jahre: Von der abgrundtiefen Verzweiflung der Überlebenden und ihren unfaßbaren Leiden bis zum »großen politischen Konsens in Deutschland«, daß jüdische Kultur und Alltagsleben wieder integraler Bestandteil der Gesellschaft seien. Stoiber sagte: »Ich verneige mich vor den jüdischen Opfern aus Würzburg und Unterfranken«. Er sehe in dem Bau ein »zukunftsweisendes Zeichen des Vertrauens der jüdischen Gemeinde in die deutsche Demokratie«. Das Zentrum zeige, daß jüdisches Leben nach den Schreckensjahren der NS-Diktatur und dem Holocaust in Deutschland wieder eine geistige und kulturelle Heimat und ein religiöses Zuhause gefunden habe. Es sei ein »sichtbares Zeichen für eine neue Qualität jüdischen Lebens, für eine neue Intensität jüdischen Dialogs in Europa«.
Zentralratspräsidentin Knobloch hob die europäische Perspektive des Zentrums hervor: Von diesem Ort solle »jüdisches Leben in die Gesellschaft hineinwirken«. Gäste aus ganz Europa würden kommen, dadurch gewinne Shalom Europa »Relevanz und leistet einen Beitrag zur Weiterbildung einer europäischen jüdischen Identität«. Daß es auch dem Dialog zwischen Juden und Nichtjuden dienen soll, gefällt ihr.
Die Jüdische Kultusgemeinde in Würzburg und Unterfranken hat 1.100 Mitglieder (vgl. S. 20). Sie war in den vergangenen 15 Jahren durch den Zuzug von Kon- tingentflüchtlingen aus der einstigen Sowjetunion um 900 Mitglieder gewachsen. Das neue Zentrum mit erweiterter Synagoge, Gemeindesaal und Museum war notwendig geworden, weil die alten Räume an gleicher Stelle nicht mehr ausreichten.
Shalom Europa ist ein ausgesprochen transparent gebautes Gebäude. Für seine Architektur gab es viel Lob. »Gelungen«, nannte Ministerpräsident Edmund Stoiber den Bau. Joel Lion, Rat der Botschaft Israels glaubte, die Würzburger Gemeinde habe »das Beste bekommen«. Charlotte Knobloch findet Shalom Europa »wunderschön«. Sie wisse, »daß die Inhalte und der Geist, der von diesem Gebäude ausgehen, sehr viel Gutes bewirken werden.