von Grant Slater
Die einzige Synagoge Tadschikistans liegt in Trümmern und die kleine Gruppe bucharischer Juden sieht sich verstrickt in einem bürokratischen Hickhack. Nach vier Jahren Drohungen vonseiten der Regierung und Gegenvorschlägen durch die jüdische Gemeinde hat die Stadtverwaltung von Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, das einstöckige jüdische Gotteshaus abreißen lassen. An der Stelle soll der neue Präsidentenpalast gebaut und ein Nationalpark angelegt werden.
»Im Moment hat die jüdische Gemeinde praktisch überhaupt keinen Ort mehr«, sagt Oberrabbiner Michail Abdurakhmov. »Jeder betet für sich zu Hause.« Seine Gemeinde zählt rund 350 Mitglieder, davon beteiligen sich 200 aktiv am Gemeindeleben.
Widersprüchlich sind die Berichte darüber, ob ein anderes Grundstück für eine neue Synagoge zur Verfügung steht. Abdurakhmov sagt, die Gemeinde habe weder eine Garantie für ein neues Grundstück noch die Zusage für eine Entschä-
digung erhalten. Lev Levayev, Präsident der Vereinigung Jüdischer Gemeinden und Direktor des Weltkongresses bucharischer Juden, sagte dagegen zur Nachrichtenagentur Interfax, ein neues Grundstück für die Synagoge werde von der Regierung zur Verfügung gestellt. Mit dem Aufbau werde bald begonnen, die Finanzierung übernähmen die Chabad-nahe Vereinigung sowie der bucharische Kongress und private Spender.
Während Levayev verspricht, dass »es keine Probleme mit der Finanzierung geben wird«, blicken die jüdischen Vertreter vor Ort – zermürbt von den jahrelangen Kämpfen mit der Stadtverwaltung – wenig optimistisch in die Zukunft. Er habe erst aus einer Lokalzeitung von den Plänen für eine neue Synagoge erfahren, sagt Abdurakhmov. Die Zeitung halte er allerdings nicht für zuverlässig. Die tadschikischen Medien werden streng von der Regierung überwacht, es gibt nur wenige unabhängige Nachrichtenquellen.
Abdurakhmov erklärt, er könne die Existenz eines neuen Grundstücks nicht bestätigen und habe mit keinem Vertreter der Vereinigung Jüdischer Gemeinden über eine neue Synagoge gesprochen.
Die Dachorganisation, die die meisten neuen Synagogen in der ehemaligen Sowjetunion, einschließlich jener in Zentralasien, gebaut hat, führt normalerweise keine Projekte für Gemeinden mit weniger als 1.000 Mitgliedern durch. Der nächste Chabad-Rabbiner sitzt im benachbarten Usbekistan. Die Mehrheit der Gemeinde sind Nachfahren von persisch sprechenden bucharischen Juden, die seit Jahrhunderten in Zentralasien lebten.
Schon 2004 hatten die städtischen Behörden einen Vorschlag der Gemeinde abgelehnt, die Synagoge zu sanieren und sie in den geplanten Park zu integrieren. Nach Verhandlungen bot die Stadt in einem weit entfernten Bezirk ein Grundstück für eine neue Synagoge an, dessen Lage laut Vertretern der Gemeinde für ihre alternden Mitglieder völlig unzweckmäßig gewesen sei.
Der Räumungsbefehl blieb bestehen. Die Gemeinde erhob gerichtlichen Einspruch dagegen und forderte sowohl eine Entschädigung als auch ein neues Grundstück. Allerdings sind die Aussichten, damit durchzukommen, ohne die Rückendeckung Levayevs gering.
Erste Abrissarbeiten an der tadschikischen Synagoge begannen bereits im Februar 2006. Damals ließen die Behörden eine Mikwe, ein Klassenzimmer und eine koschere Fleischerei niederreißen. Im April dieses Jahres entschied dann ein Bezirksverwaltungsgericht, dass der Abriss fortgesetzt werden kann, und dass die jüdische Gemeinde nach dem Gesetz kein Anrecht auf ein neues Grundstück habe. Das Gericht bestätigte damit ein früheres Urteil, das der Gemeinde auferlegte, die Synagoge bis spätestens 28. Mai zu räumen. An diesem Tag, berichtet Abdurakhmov, sei auch ein städtischer Ingenieur in einem Bulldozer aufgetaucht, um mit dem Abbruch weiterzumachen, der jetzt beendet wurde.