Von Markus Bickel (Beirut)
Die alten Verbindungen der Protektoratsmacht Syrien zum einstigen Vasallenstaat Libanon reichen bis heute. Wer von Beirut, Saida oder Tripoli im großen Nachbarland anrufen will, der kann sich die internationale Vorwahl 00961 glatt sparen und statt dessen einfach die 02 vor der Ortsnummer des syrischen Gesprächspartners wählen. Und schon steht die Verbindung. Denn auch wenn die letzten syrischen Soldaten ihre Kasernen und Stellungen im April 2005 verlassen haben: Das von Expräsident Hafez al-Assad aufgebaute Spitzelsystem und die Verbindungen in höchste libanesische Geheimdienst- und Regie-
rungskreise ist bis heute intakt.
Entsprechend überväterlich fällt die offizielle Libanon-Politik von al-Assads Sohn Bashar aus, der seit Juni 2000 regiert. Der 40jährige laviert seit Kriegsbeginn geschickt zwischen dem Drängen seines engsten Verbündeten, dem schiitisch dominierten Iran, der eine stärkere Unter-
stützung der Hisbollah fordert, und den Forderungen des überwiegend sunnitischen Ägypten, das eine internationale Libanon-Friedenstruppe befürwortet.
Seit dem Mord an Libanons Expremierminister Rafik Hariri, der dem syrischen Sicherheitsapparat angelastet wird, ist Assad politisch immer näher an Nasrallah herangerückt. Über die schlecht bewachte syrisch-libanesische Grenze können Waffenlieferungen bis heute die Hisbollah beinahe ungehindert erreichen – ungeachtet aller konfessioneller Grenzen, die die schiitische Kaderorganisation und das allewitisch dominierte syrische Regime trennt. Bindeglied zwischen den ungleichen Partnern ist weiterhin der Iran. Erst im Januar kam Präsident Mahmud Ahmadinedschad in Damaskus sowohl mit Assad wie mit Nasrallah zusammen. Der ehemalige israelische Verteidigungsminister Shaul Mofaz bezeichnete die Zusammenkunft als »Terrorgipfel« und machte die »zwischen Iran und Syrien operierende Achse des Terrors« für einen Selbstmordanschlag in Tel Aviv am Tag vor dem Treffen verantwortlich.
Angesichts der streng staatlich kontrollierten Medien des Landes dringt Kritik am syrischen Regierungskurs kaum in die Öffentlichkeit. Und pro-westliche Kritiker, die der antisyrischen Opposition im Libanon nahestehen wie Riad Seif, Michel Kilo und Anwar al-Bunni, sind im Frühjahr inhaftiert worden. Die in Syrien verbotenen Muslimbrüder »Al-Ikhwan Al-Muslimoun« treten nur aus dem Londoner Exil ihres Superintendenten Ali Sadr ad-Din al-Bayanouni mit Stellungnahmen in Erscheinung.
Das läßt Bashar al-Assad politisch genügend Spielraum, die Optionen für eine Nachkriegsordnung abzuwägen. Vielleicht orientiert er sich am Ende ja an seinem Vater, der 1976 der Entsendung von syrischen Soldaten innerhalb einer internationalen Libanon-Truppe zustimmte – und damit die Entscheidungsgewalt der Protektoratsmacht über den Mittelmeeranrainer für fast drei Jahrzehnte sicherte.