»In der Mitte verankert«
Petra Pau über Rechtsextremismus und Aufgaben der Zivilgesellschaft
Frau Pau, kein Tag ohne rechtsextreme Gewalt: Bundesweit wird stündlich mehr als eine Straftat registriert. Dennoch zeigen sich Politiker immer noch überrascht. Wird die Gefahr des Rechtsextremismus von der Politik unterschätzt?
pau: Ich bin nicht überrascht, höchstens über die Überraschung. Wir wissen seit Jahren, daß die reale Zahl der Straftaten sogar noch höher liegt. Wenn die ganze Aufregung zu etwas gut sein soll, dann müßte daraus eine langfristige und übergreifende Strategie gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus entstehen. Das wäre sinnvoller, als periodisch den Aufstand der Anständigen auszurufen, bei dem immer wieder die Zuständigen abhanden kommen.
Sie fordern wirksame Strategien gegen Rechts. Haben Sie denn ein Konzept?
pau: Ich gestehe, daß ich nicht das Konzept habe, mit dem von heute auf morgen alles vorbei sein würde. Aber wir sollten auf der Stelle den Wettstreit, wer ist der beste Antifaschist, beenden. Wir müssen die demokratischen Kräfte zusammenbekommen und Fachkompetenz bündeln und die Zivilgesellschaft langfristig stärken. Und wir brauchen die Förderung antifaschistischen Engagements, nicht seine Kriminalisierung.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck hat am 9. November beim Pogromgedenken dazu aufgerufen, den Anfängen zu wehren. Nur Stunden später schänden Neonazis in Frankfurt an der Oder den Gedenkstein für die ehemalige Synagoge. Sind das noch Anfänge?
pau: Wir reden nicht über Anfänge, sondern darüber, daß Rechtsextremismus keine Randerscheinung mehr ist. Er ist in der Mitte verankert. Daher reicht ein NPD-Verbot nicht aus, um dieses Phänomen aus der Gesellschaft zu verbannen.
In Halbe findet am Samstag der »Tag der Demokraten« statt. Motto: Nazis sollen in diesem Land nicht das Sagen haben. Aber haben sie das nicht längst?
pau: Nein, sie haben das Sagen nicht. Aber wir dürfen uns nach einem hoffentlich erfolgreichen Tag der Demokraten auch nicht zurücklehnen. Wir müssen im Alltag gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus vorgehen. Dort, wo es toleriert wird, wird signalisiert, daß dies in unserer Gesellschaft Platz hat. Ich will genau das Gegenteil.
Mit der Bundestagsvizepräsidentin (Linkspartei) sprach Detlef David Kauschke.