von Dirk Hempel
Iris Berben hat recht. Ganz in Schwarz gekleidet, sagt sie über Leon de Winter: »Würde er hier vorne stehen, hätte er uns schon zum Lachen gebracht.« Der Angesprochene, die Arme vor dem Körper verschränkt, reagiert mit einem leichten Lächeln. Es ist Sonntag früh, kurz vor 10 Uhr. Der niederländische Schriftsteller wird in Berlin mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet. De Winter scheint noch etwas müde zu sein. Wenig später steht der Autor selbst auf der sattblauen Bühne, zusammen mit dem früheren Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye, der stellvertretend für die Initiative »Gesicht zeigen!« ebenfalls die Auszeichnung der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit entgegennimmt. Dazu gibt es eine Urkunde in edlem Einband, Händeschütteln, Blitzlichtgewitter. Stolz präsentiert der Niederländer die bronzefarbene Medaille dem Publikum. Die Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Maria Böhmer (CDU), Berlins Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky und Israels Botschafter Shimon Stein sind darunter.
Vor der Preisverleihung hatte Henry G. Brandt lobende Worte für die Ausgezeichneten gefunden. Der Landesrabbiner aus Augsburg würdigt nicht nur das »unkonventionelle und treffende« Auftreten de Winters und das zivilgesellschaftliche Engagement von »Gesicht zeigen«. Er plädiert auch für ein selbstbewußtes Auftreten. »Die Friedfertigkeit und Toleranz, die wir anderen entgegenbringen, verlangen wir auch von unserem Gegenüber«, sagt Brandt, der im Präsidium des Koordinierungsrats für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit sitzt. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) fordert klare Grenzen – »schon im Kleinen«: Diskriminierende Witze und Sprüche sollten schon Anlaß zum Einschreiten sein. Schließlich gelte es, das hohe Gut der Freiheit zu verteidigen. Während er das sagt, ballt er für einen Moment beide Hände zur Faust.
De Winter kommt erst kurz vor Ende des Festakts zu Wort. Schon sein erster Satz hält, was Berben in ihrer Laudatio versprochen hat. »Sie wollen eine diplomatische Antwort?«, sagt er auf die Frage, wie der Westen sich im Karikaturen-Streit verhalten sollte. Das Publikum lacht. Daß de Winter Diplomatie hier für unangebracht hält, ist bekannt. Er glaubt nicht an einen Dialog der Kulturen, er will die Freiheit nicht wegen Rücksichtnahme auf die Gefühle von Muslimen geopfert sehen. Ganz kurz mündet das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Preisträgern – dem resoluten Niederländer und der auf Toleranz bedachten Initiative »Gesicht zeigen« – in eine Kontroverse zwischen de Winter und Heye. Doch direkt nach Ende der Veranstaltung posieren beide gemeinsam für die Fotografen, Iris Berben nehmen sie dabei in die Mitte.
Die Buber-Rosenzweig-Medaille wird seit 1968 für Engagement gegen antisemitische und rassistische Tendenzen in Politik, Gesellschaft und Kutur verliehen. Mit dem Festakt am Sonntag ist zugleich die diesjährige Woche der Brüderlichkeit eröffnet worden. Ihr Motto: »Gesicht zeigen«.