Leo Baeck

»Immer auf die Gesellschaft beziehen«

»Immer auf die Gesellschaft beziehen«

Michael A. Meyer über Leo Baeck und Judentum in Deutschland

Herr Meyer, Leo Baeck hat 1945 in einem Interview gesagt: »Die Geschichte des deutschen Judentums ist definitiv zu Ende.« Was würde er wohl heute sagen?
meyer: Er glaubte damals nicht an eine Perspektive für eine jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Aber er hatte auch Schüler, die hier später als Rabbiner fungierten. Und er war immer bereit, ihnen zu helfen. Er hat Deutschland nach dem Krieg auch besucht. Ich glaube nicht, daß er gegen die Neugründung der Gemeinden war. Heute würde er wohl der Meinung sein, daß man sie fördern und unterstützen muß.

Was hat die vielbeschworene Renaissance jüdischen Lebens in Deutschland mit dem deutschen Judentum im Sinne Leo Baecks gemeinsam?
meyer: Die erste Generation der Zuwanderer steckt noch sehr in der russischen Kultur. Ich glaube, daß sich die nächste Generation Fragen über das deutsche Judentum stellen wird. Sie wird sich in Deutschland mehr zu Hause fühlen und versuchen, Wurzeln in der deutsch-jüdischen Geschichte zu schlagen. Aber das wird eine Weile dauern.

Wie hat Baeck sein liberales Judentum verstanden?
meyer: Das liberale Judentum zu Baecks Zeiten war recht traditionell. Er war selbst in vielen Fragen sehr konservativ. Er hat oft gesagt, daß es beim liberalen Judentum we-
niger auf das Adjektiv als auf das Substantiv ankomme. Das Gefühl der jüdischen Gemeinschaft war ihm sehr wichtig, nicht die Grenzen zwischen liberalem und konservativem oder konservativem und orthodoxem Judentum. Er glaubte, daß sich das göttliche Gebot mehr auf Moral als auf Rituale bezog.
Baeck forderte, man müsse sich der eigenen religiösen und moralischen Verpflichtung bewußt sein. Was bedeutet das heute?
meyer: Ich glaube, es heißt, daß man sich für soziale Rechte und gegen Armut einsetzt. Er hat sich auch sehr für den Frieden engagiert, er war Mitglied einer jüdisch-pazifistischen Organisation. Obwohl Baeck als Feldrabbiner am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, war er später gegen einen Krieg, der nicht absolut nötig ist. Er glaubte, daß sich das Judentum immer auch auf die Gesellschaft beziehen muß.

Mit dem Internationalen Präsidenten des
Leo Baeck Instituts sprach Detlef D. Kauschke (vgl. auch die Seiten 6 und 7).

Debatte

Schweden stoppt Unterstützung von UNRWA

Hintergrund des Schrittes ist die Entscheidung Israels, der UNRWA wegen ihrer Verwirklichung in den palästinensischen Terror jegliche Tätigkeit auf israelischem Territorium zu untersagen

 20.12.2024

Kunst

Leitung der documenta 16 wird heute bekanntgegeben 

Wer wird die nächste documenta kuratieren? Die Findungskommission der für 2027 geplanten Schau will ihre Entscheidung jetzt bekanntgeben

von Nicole Schippers  17.12.2024

Nach Assad-Sturz

Libanesischer Politiker ruft Landsleute zur Rückkehr auf

Im von zahlreichen Krisen geplagten Libanon herrscht neue Zuversicht. Nach den Worten eines wichtigen Politikers ist die Weihnachtsfreude in diesem Jahr gar »doppelt so groß«

 17.12.2024

Berlin

Chanukka-Basar in der Synagoge Pestalozzistraße: Kuchen, koscherer Glühwein und ein Bühnenprogramm

Am Sonntag findet der Basar im Innenhof der Synagoge statt. Es gibt ein vielfältiges Bühnenprogramm. Auch die »The Swinging Hermlins« werden auftreten

von Christine Schmitt  13.12.2024

Thüringen

Mario Voigt mit Stimmen der Linken zum Ministerpräsident gewählt

Der CDU-Politiker brauchte nur einen Wahlgang

 12.12.2024

Antisemitismus

RIAS: AfD ist eine Gefahr für Juden in Deutschland

Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus präsentierte auch neue Zahlen zu antisemitischen Vorfällen

 11.12.2024

Amsterdam

Nach antisemitischer Hetzjagd: Haftstrafen für drei Angeklagte gefordert

Einen Monat nach den Übergriffen stehen nun sieben Menschen vor Gericht

 11.12.2024

Brandenburg

Antisemitismusbeauftragter fordert Priorisierung der Bildungsarbeit

Auch die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und Menschen müsse gewährleistet werden, sagte Büttner

 10.12.2024

Berlin

Nach dem Sturz von Assad: Wie geht es nun weiter für die syrischen Flüchtlinge in Deutschland?

von Anne-Béatrice Clasmann  09.12.2024