von Miryam Gümbel
Das neue Jüdische Zentrum am Jakobsplatz bietet Raum für viele Veranstaltungen. So konnte in diesem Jahr erstmals ein Neujahrsempfang stattfinden. Eingeladen hatten die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern und der Münchner Club der BMW Group.
»Unser jüdisches Zentrum ist der lebende Beweis dafür, dass es den Nationalsozialisten nicht gelungen ist, das Judentum zu vernichten. Unser Zentrum – europaweit der größte Neubau einer jüdischen Gemeinde – ist weltweit zu einem Anziehungspunkt geworden. Bis heute haben rund 80.000 Besucher unsere Synagoge gesehen. Der Andrang ist nach wie vor ungebrochen«, stellte Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, bei der Begrüßung fest. Im Foyer des Hauses und im Hubert-Burda-Saal drängte sich anlässlich der Einladung zu Rosch Haschana, wer in München und über die Grenzen der bayerischen Landeshauptstadt hinaus Rang und Namen hatte. Viele prominenten Gäste aus Politik, Gesellschaft, Kirche und Wirtschaft waren der Einladung gerne gefolgt.
Charlotte Knobloch erklärte ihnen die Bedeutung des jüdischen Neujahrsfestes, das diesmal auf den 30. September und 1. Oktober fiel: »Rosch Haschana ist für jeden Einzelnen im Judentum eine Zeit der Rückbesinnung und des Ausblicks.« Für Rückbesinnung und Ausblick wählte die Präsidentin dann auch gleich einen größeren Zeitrahmen: In diesem Jahr »gedenken wir des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht am 9. November – und feierten auch den 60. Geburtstag des Staates Israel«. Sie betonte: »Nur weil Israel ein Staat ist, der im Notfall Zuflucht und Sicherheit bietet, kann es weltweit jüdisches Leben in Freiheit und Würde geben.« Sie erinnerte an den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Israel und auch daran, dass deren Worte vor der Knesset kein Lippenbekenntnis waren. Das habe die Verlängerung des Einsatzes deutscher Soldaten vor der Küste Libanons bewiesen. Was jüdisches Leben in Deutschland betreffe, so erlebten die Menschen sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust eine Renaissance. Zu spüren sei ein Wandel im Bewusstsein der Gesellschaft dem Judentum gegenüber – von einer vorsichtigen Zurückhaltung bis hin zum Wunsch nach einem offenen Dialog. Mit dem Einweihungsdatum der neuen Münchner Synagoge am 9. November sei von der Vergangenheit auch eine Brücke in die Zukunft geschlagen worden. Verbunden damit sei das Vertrauen auch auf ein Morgen in Deutschland. In diesem Zusammenhang dankte sie einmal mehr Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und der Stadt München sowie dem Freistaat Bayern, den Günther Beckstein als Ministerpräsident vertrat.
Der Münchner Synagogenbau, so Ude in seinem Grußwort, sei eine Initialzündung auch für andere Städte in Deutschland gewesen. Er gab seiner Freude Ausdruck, dass das Zentrum am Jakobsplatz zum Ort der Begegnung nicht nur anlässlich des Neujahrsempfangs geworden sei, sondern auch bei zahlreichen anderen Anlässen.
Günther Beckstein dankte mit dem Verweis auf die Bedeutung der Initiative Charlotte Knoblochs für ihr jahrelanges Bemühen um dieses Zentrum, mit dem sie »einen der größten Erfolge für uns alle in Bayern« erreicht habe.
Mit Blick auf Knoblochs Erinnerung an das Oktoberfestattentat, genau 28 Jahre vor dem ersten Neujahrsempfang in der IKG, am 26. September 1980, bekräftigte Beckstein, dass die Staatsregierung alles daran- setze, »braune Banden in die Schranken zu weisen«. »Wir vergessen das Gestern nicht, um das Heute und Morgen zu verstehen, auch uns selbst. Wir erinnern uns an Licht und Schatten«, betonte dann auch Professor Michael Wolffsohn vom Vorstand der IKG in seiner Festansprache. »Das Geheimnis der Erlösung ist Erinnerung«, zitierte er die talmudischen Weisen. Er gab den Anwesenden einen kurzen Einblick in die Bedeutung des jüdischen Neujahrsfestes, das »für uns nicht Jubel, Trubel, Heiterkeit, sondern Bänglichkeit, Ängstlichkeit, Nachdenklichkeit, Wissen um die eigene Endlichkeit« bedeute: »Der Mensch wird gerichtet, jeder Einzelne. Auch Atheisten haben mit den Schwingungen unserer Hohen Feiertage, Neujahr und Jom Kippur, ihre Bänglichkeiten und Ängstlichkeiten, denn sie wissen: Gerichtet wird. Nur wann und von wem, das wissen sie nicht.«
Mit Blick auf die Zukunft lud Wolffsohn die Anwesenden zur Teilnahme am Kulturkonzept der IKG ein, das »sowohl spezifisch jüdisch als auch zugleich universal ist, also unsere kleine jüdische Welt und die große nichtjüdische miteinander verbindet«.
Rabbiner Steven Langnas schließlich erinnerte die Anwesenden daran, sich am Neujahrsfest darauf zu besinnen, wie kostbar die Zeit auf Erden ist, mit der die Menschen deshalb bewusst umgehen sollten. In der Begegnung und im Gespräch miteinander nutzten die Gäste sie dann nach Abschluss der offiziellen Feierstunde.