Herr Diller, in Osteuropa lebende Schoa-Überlebende erhalten künftig eine höhere monatliche Beihilfe. Und NS-Opfer, deren Gesuch auf eine Einmalzahlung aus einem Härtefallfonds bereits abgelehnt wurde, dürfen nun erneut einen Antrag stellen. Wie erklärt sich die neue Großzügigkeit des Finanzministeriums?
diller: Die Jewish Claims Conference (JCC) hat wegen der schwierigen Situation in den Ländern Osteuropas eine dringende Notwendigkeit gesehen, dort die Beihilfen für NS-Verfolgte anzuheben. Die Bundesregierung ist diesem Gesuch gefolgt und hat ihren Finanzierungsbeitrag zu diesem JCC-Fonds erhöht.
Und die Härtefallregelung?
diller: Der »Hardship-Fonds« ist eine breit angelegte Hilfe für jüdische NS-Verfolgte, die 1980 durch die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt eingeführt wurde. Von über 400.000 Antragstellern haben bis heute über 320.000 eine Beihilfe erhalten. Die JCC fordert seit Langem, dass früher abgelehnte Anträge noch einmal überprüft werden können. Dadurch wird jüdischen NS-Verfolgten, die durch die Öffnung der Archive ihre Verfolgungsgeschichte erstmals nachweisen können oder für die jetzt Beweiserleichterungen gelten, die Möglichkeit eröffnet, eine Anerkennung ihres Leidens zu erreichen. Da diese Entschädigungsregelung nun ausklingt, halte ich eine solche Überprüfung im Sinne der Überlebenden des Holocaust für geboten.
Die Claims Conference hat jahrelang Änderungen im Sinne der Opfer gefordert. Warum ist man sich erst jetzt einig geworden?
diller: Seit zehn Jahren führe ich die Verhandlungen mit der JCC über Auslegungsfragen des Artikel-2-Abkommens. Jede Gesprächsrunde hat zu wesentlichen Verbesserungen der Leistungen der Bundesregierung für die Überlebenden des Holocaust geführt. Mit diesen kontinuierlichen Bemühungen leistet die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag dazu, die Lebensbedingungen der Opfer des NS-Terrors zu verbessern.
Wie viel zusätzliches Geld stellt Deutschland jetzt zur Verfügung?
diller: Vorbehaltlich der parlamentarischen Bewilligung plant die Bundesregierung zusätzlich 25 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2010 ein.
Kein ganz kleiner Betrag in Zeiten einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Will die Bundesregierung damit ein Zeichen setzen?
diller: Der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts hat die Bundesregierung seit jeher besondere Priorität beigemessen. Diese Aufgabe hat für die Bundesregierung einen unverändert hohen Stellenwert.
Mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium sprach Christian Böhme.