Entschuldigungen zählten noch nie zu Roland Kochs Stärken. Insofern stellte der vergangene Freitag für den hessischen Ministerpräsidenten eine ungewohnte Übung dar, zumal die Verleihung des Hessischen Kulturpreises wohl noch nie so im Fokus des öffentlichen Interesses gestanden haben dürfte wie in diesem Jahr.
Zur Erinnerung: Anfang 2009 fällt das Kuratorium des Hessischen Kulturpreises die Entscheidung, den mit 45.000 Euro dotierten Preis an Vertreter der vier großen Religionsgemeinschaften zu verleihen. Als Preisträger werden der Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann, der ehemalige evangelische Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, Peter Steinacker, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, und der Orientalist Fuat Sezgin nominiert. Sezgin verzichtet auf die Auszeichnung, aus Protest gegen die Haltung des Zentralrats im Gasakrieg. Daraufhin wird der Schriftsteller und Islamwissenschaftler Navid Kermani nominiert – mit Zustimmung der anderen designierten Preisträger. Im März veröffentlicht die Neue Zürcher Zeitung einen Artikel Kermanis über die Kreuzigungsdarstellung Guido Renis. Darin bezeichnet Kermani die Kreuzestheologie als »Gotteslästerung und Idolatrie«, formulierte aber auch: »Ich könnte an ein Kreuz glauben.« Lehmann und Steinacker erklären, den Preis nicht annehmen zu können. Und Koch führt den Beschluss herbei, Kermani den Preis abzuerkennen. Der Schriftsteller erfährt davon aus der Presse. Erst ein Acht-Augen-Gespräch aller Preisträger im August führt dazu, dass die Entscheidung revidiert wird.
Wer jedoch angesichts dieser Vorgeschichte eine Demutsgeste des hessischen Ministerpräsidenten erwartete, wurde enttäuscht. Kochs Laudatio entpuppte sich schnell als eine zeitweise im Reueton vorgetragene Nichtentschuldigung: Zwar sei die Kommunikation mit Kermani »nicht gelungen«, wodurch der »sachliche Konflikt verschärft und Dr. Kermani in eine komplizierte Situation gebracht« worden sei. Aber ohne Lehmann und Steinacker sei das Verhältnis von Religion und Kultur »nicht korrekt beschrieben«.
Salomon Korn fiel es an diesem Abend zu, die Antithese zu Kochs Ausführungen zu formulieren. »Aus der Überzeugung, den einzig wahren Glauben zu besitzen, kann ein Gläubiger nicht auch mit Gewissheit ableiten, damit gleichzeitig, die einzig wahre Sicht der profanen Realität zu haben.« Allein die Trennung von Staat und Religion als Errungenschaft der Aufklärung gewähre Aussicht auf erfolgreiche interkulturelle Gespräche.
Kermani schlug versöhnliche Töne an, auch wenn er an dem umstrittenen Text »nichts zurückzunehmen, nichts zu relativieren und nichts zu entschuldigen habe«. Der Konflikt um seine Nominierung habe gezeigt, »wie Angehörige verschiedener Religionen sich streiten, aber auch, wie sie sich verständigen und Respekt voreinander wiederfinden können«. Danijel Majic
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