von Diana Zinkler
Noch blockiert ein lila Cat-Schaufel-Bagger den Eingang zum Talmud-Tora-Gebäude im Grindelhof. Die ehemalige jüdische Oberrealschule wird umgebaut. Draußen füllen Arbeiter die Fugen der neu geklinkerten Mauer, die das Schulgelände vom Bürgersteig trennen und ungebetene Gäste fernhalten soll. Sie spachteln den Mörtel vorsichtig in die Rillen. Von drinnen dringen Geräusche wie Bohren, Schleifen und Hämmern nach draußen. Rund 30 Bauarbeiter sind derzeit am Umbau beschäftigt. Es bleibt nicht mehr viel Zeit.
Im kommenden Schuljahr 2007/2008 soll die jüdische Joseph-Carlebach-Schule im Talmud-Tora-Gebäude neu eröffnet werden. Davon geht Andreas Wankum, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg, aus: »Die Bauarbeiten sind in vollem Gange, und unser Gemeindevorstand sucht gerade einen neuen Schulleiter.« Wie groß das Kollegium sein wird und welche Lehrer genau gesucht werden, darüber kann der Gemeindevorsitzende derzeit noch keine Auskunft geben.
Am 7. März ziehen bereits der Kindergarten und die Verwaltung der jüdischen Gemeinde von der Schäferkampsallee in das 3.000 Quadratmeter große Gebäude am Grindelhof. »Ein Festtag«, sagt Wankum, das Datum erinnere an den 7. März 1932, damals wurde die Talmud-Tora-Schule als Oberrealschule mit Reifeprüfungsberechtigung anerkannt. Nachdem sie von den Nationalsozialisten geschlossen wurde, gab die Stadt Hamburg im Jahr 2004 der jüdischen Gemeinde das historische Gebäude zurück. Das Ansinnen war, dass dort wieder eine jüdische Schule entsteht und das jüdische Leben im Grindelviertel gestärkt wird.
Der Grindelhof ist das ehemalige jüdische Zentrum Hamburgs, gleich neben der Schule stand auch die Bornplatz-Synagoge. Vor der Machtübernahme durch die Nazis lebten in Hamburg 25.000 Juden, heute sind es 4.000. Heute erinnert ein Mosaik aus Pflastersteinen an das Bethaus, das in der Reichspogromnacht 1938 in Brand gesetzt und später abgetragen wurde. Das gesamte Quartier ist sehr belebt, durch die Universität, durch Cafés und Restaurants und ein Kino. Doch Kindergeräusche sind nicht zu hören. Noch nicht.
Die Schule soll eine zweizügige Ganztagsgrundschule werden. Finanzieren soll sie sich über staatliche Mittel, ein Schulgeld in Höhe von etwa 250 Euro monatlich pro Kind und den Beiträgen der Gemeindemitglieder. Der Umbau kostet zweieinhalb bis drei Millionen Euro, der Schulbetrieb nach Angaben der jüdischen Gemeinde rund 250.000 Euro im Jahr. Laut Wankum beträgt der Gemeindeanteil rund 100.000 Euro im Jahr. Neben zehn Klassenräumen soll es auch eine Kantine mit koscherem Essen für die Schüler und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung geben. Den Kindergarten will der Vorstand nach dem Umzug erweitern – um eine Krabbelgruppe auf insgesamt 60 Kinder.
Während die Sanierung des Talmud-Tora-Gebäudes am Grindelhof voranschreitet, feiern dreizehn jüdische Kinder jeden Freitag den Schabbat in der Schule Altonaer Straße in Hamburgs Szene-Stadtteil, dem Schanzen-Viertel. Sibylle Stoler ist Mitbegründerin dieser Gruppe. Ihre Idee war es, nach der umstrittenen Schließung der Joseph-Carlebach-Schule im Jahr 2005, die an der Schäferkampsallee drei Jahre lang bestand, den Förderverein Joseph-Carlebach-Schule ins Leben zu rufen. Der Verein kooperiert nun schon seit dem Schuljahr 2005/2006 mit der Schule Altonaer Straße. Dort werden die Schüler in jüdischer Religion und Kultur unterrichtet.
Sibylle Stoler, die Vorsitzende des Fördervereins, steht der Neugündung der Joseph-Carlebach-Schule im Talmud-Tora-Gebäude kritisch gegenüber. »Wir werden uns das erst einmal anschauen, vorab werden unsere Eltern die Kinder sicher nicht dort anmelden.« Stoler kritisiert den Gemeindevorstand um Andreas Wankum vor allem wegen dessen »rigorosem« Führungsstil, wie sie sagt. Als die alte Schule noch bestand, habe es kaum Kooperation und Austausch zwischen Eltern und Vorstand über die Zukunft der Schule gegeben.
Der kritisierte Gemeindevorsitzende Wankum bleibt jedoch auch für die Zukunft dabei: »Wir konsultieren zwar den Gemeindebeirat, aber die Entscheidungen über Konzept und Ausrichtung der Schule trifft nach wie vor der Vorstand.« Die neue Schule solle erstklassigen Unterricht anbieten und die individuellen Talente der Schüler fördern.
Beide Schulen haben sich jedenfalls dem Erbe Joseph Carlebachs (1883-1942) verschrieben. Der war Hamburgs letzter Oberrabbiner und Direktor der Talmud-Tora-Schule. Sein immer wieder zitiertes Motto: »Kinder sind Messiasse. Zu ihrer vollen Entfaltung müssen optimale Bedingungen geschaffen werden, und nichts, was diesem Erziehungsideal widerspricht, darf in die heiligen Hallen der Schule eindringen.«
Sybille Stoler jedenfalls wirbt für ihr Schulmodell. Der Förderverein Joseph-Carlebach-Schule und die Schule Altonaer Straße laden deshalb am Mittwoch, 17. Januar, von 14 bis 17 Uhr zu einem Tag der offenen Tür in die Altonaer Straße 38 ein. Angehende Schüler und ihre Eltern haben dort die Gelegenheit, mit Lehrern, Eltern und Schülern zu sprechen, sich einen Überblick über die laufenden Wahlkurse zu verschaffen und auch die Inhalte der jüdischen Fächer kennenzulernen. Außerdem können sie viel über die jährlich stattfindenden UNESCO-Projektwoche zu einem bestimmten Thema erfahren.