»Lieber Finder, such sie überall«
»Ich wollte diese wie auch viele andere
Aufzeichnungen zurücklegen für die (...)
künftige friedliche Welt, damit sie weiß, was hier geschah. Ich versteckte sie in einer Grube mit Asche, damit die Spuren von Millionen Vernichteten gefunden werden sollen. Aber in der letzten Zeit begannen sie, die Spuren zu verwischen, und überall, wo Asche gelagert worden war, wurde sie auf ihren Befehl klein zermahlen, zum Fluß Wisla abtransportiert und in Wasser aufgelöst. (...)
Das Notizbuch lag, wie alle anderen auch, in Gruben, mit dem Blut von nicht ganz verbrannten Knochen und Fleisch durchtränkt.
Den Geruch kann man sofort erkennen.
Lieber Finder, such sie überall. Auf jedem Flecken Erde. Dutzende von meinen
und anderen Notizbüchern und Dokumenten liegen (hier), die auf alles, was hier geschah und passierte, das Licht werfen. (...)
Wir selbst hoffen nicht darauf, bis zu unserer Befreiung am Leben zu bleiben. Trotz guter Nachrichten, die zu uns durchkommen, sehen wir, daß die Welt den Barbaren die Möglichkeit gibt, (...) den Rest des Jüdischen Volkes bis auf die Wurzel zu vernichten. (...)
Wir, das »Sonderkomando« wollten schon seit langem unsere furchtbare Arbeit beenden, die uns von der Todesangst aufgezwungen wurde. Wir wollten eine große Sache erledigen. Aber die Leute aus dem Lager, ein Teil der Juden, Russen und Polen, haben uns mit allen Kräften zurückgehalten, und haben uns gezwungen, den Aufstand zu verschieben. Der Tag nähert sich. (...) Ich schreibe diese Zeilen im Moment der Gefahr und der Erregung.
Soll die Zukunft auf Grund meiner Aufzeichnungen das Urteil über uns sprechen ...
Birkenau-Auschwitz, 6.9.1944«
(Tagebuch von Salmen Gradowski, aus dem Russischen übersetzt von P. P.)