Von Dirk Hempel
Es ist nicht gerade bestes Fußballwetter: Temperaturen knapp über null Grad, böiger Wind, ab und zu peitscht eisiger Regen über den Platz am Rande des Grunewalds. Doch das Wetter am vergangenen Sonntag kann die Stimmung des TuS Makkabi nicht trüben. Die Akteure auf dem Spielfeld, teilweise mit Handschuhen, sind konzentriert bei der Sache. Auch die rund 150 Zuschauer zeigen sich trotz Regenschirm, Windjacke oder Wollmütze engagiert, während der blau-weiße Ball über das Feld rollt.
Es ist ein Freundschaftsspiel, eines aus besonderem Anlass: Die von Makkabi genutzte Sportanlage am Eichkamp bekommt einen neuen Namen. Ab sofort ist sie nach dem jüdischen Nationalspieler Julius Hirsch benannt. Zu Gast ist der SV Babelsberg 03. Nach 90 Minuten heißt es 2:1 für den jüdischen Sportclub. Doch für Vereinspräsident Tuvia Schlesinger ist das Ergebnis absolute Nebensache.
»Wir setzen hier heute ein deutliches Zeichen«, sagt Schlesinger. Nicht nur zum Gedenken an den erfolgreichen Fußballer Julius Hirsch, der 1943 in Auschwitz ermordet wurde. »Es geht uns nicht nur um jüdischen Sport, wir wollen gesellschaftspolitisch wirken«, betont der Vereinspräsident. Dass die Kicker von Makkabi dazu ausgerechnet ein Freundschaftsspiel gegen Babelsberg bestreiten, ist kein Zufall: Anfang Dezember hatten die Fans des Potsdamer Vereins ein Spiel beim BFC Dynamo boykottiert. Weil dieser nicht genug gegen rechte Fans unternehme, wollte man verhindern, dass die Eintrittsgelder der Vereinskasse von Dynamo zugutekommen.
An diesem Sonntag geht es um Fairplay und Toleranz. Alle in der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf vertretenen Parteien zeigen Präsenz. Damit bekunden sie ihre Solidarität mit dem jüdischen Sportverein. Im Oktober hatten sie sich bereits demonstrativ hinter Makkabi gestellt, als ein Spiel beim VSG Altglienicke wegen antisemitischer Ausfälle der Zuschauer abgebrochen werden musste. Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, begrüßt diese klare Positionierung der Bezirkspolitiker. Mit dem Festakt zur Umbenennung der Sportanlage wird zugleich eine Wanderausstellung des Centrum Judaicums eröffnet. Bis März zeigt sie im Makkabi-Clubheim das Wirken von Juden im deutschen Fußball.
Die Julius-Hirsch-Sportanlage ist eine erneute Ehrung des Nationalspielers. Nachdem die Nazis versuchten, die Erinnerung an Hirsch zu tilgen, ihn sogar aus der Statistik der Nationalmannschaft strichen, dauerte es mehrere Jahrzehnte, bis das Wirken des Fußballers gewürdigt wurde: Mit einem nach Julius Hirsch benannten Preis zeichnet der Deutsche Fußball Bund besonderes Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus aus. In diesem Jahr wird der Preis zum dritten Mal vergeben.
Für Andreas Hirsch, den Enkel des deutschen Nationalspielers, ist die Umbenennung der Sportanlage ein bewegender Moment. Aus Karlsruhe angereist, findet er es »absolut passend, dass der Sportplatz von Makkabi nun den Namen meines Großvaters trägt«. Der Verein stehe für Gewaltlosigkeit und Zukunftsorientierung: »Er ist ein Beispiel für die Renaissance jüdischen Lebens in Berlin«, so Hirsch zur Jüdischen Allgemeinen. Künftig will der Reiseunternehmer häufiger in die Hauptstadt kommen, um die sportlichen Erfolge der Makkabi-Kicker zu verfolgen.
Und Erfolge wird es einige geben. Zumindest wenn es nach Gästen der feierlichen Umbenennung geht. Der Gemeindevorsitzende Joffe prophezeit dem Ver-
bandsligisten Makkabi den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Rabbiner Yehuda Teichtal möchte gar, dass der Verein die höchste deutsche Spielklasse erreicht. Und die Spieler wollen noch weiter: Sie geben spaßhaft die Champions League als Ziel aus.
Bei jedem Training, jedem Heimspiel und jedem Gang ins Clubhaus werden sie jedenfalls künftig an die Erfolge von Julius Hirsch erinnert: Er war zweimal deutscher Meister und spielte 1912 in der deutschen Olympia-Auswahl. Die Champions League gab es ja damals noch nicht.