Endlich ist es Frühling – ein guter Moment, um neue Energie zu tanken. Und in schwierigen Zeiten braucht man diese noch mehr als sonst. Deshalb ist es kein Wunder, dass Themen wie Resilienz oder der richtige Umgang mit Krisensituationen beim diesjährigen Jugendkongress, der unter dem Motto »You make a difference« am Donnerstagabend begann, besonders im Mittelpunkt stehen.
Oder, wie Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), in ihrer Begrüßung das Bedürfnis vieler Anwesenden stellvertretend auf den Punkt bringt, »einfach in einem jüdischen Raum zu sein«. Damit war man auch schon mittendrin im ersten Panel, das quasi den Startschuss für den Jugendkongress gab. Denn die Ereignisse vom 7. Oktober und die Welle antisemitischer Vorfälle haben überall ihre Spuren hinterlassen.
»Ihr seid nicht allein«, machte Josef Schuster den Anwesenden Mut. »Wenn ich in den Saal blicke, dann hat sich die Idee, die wir vor weit über 20 Jahren hatten, mit dem Jugendkongress junge jüdische Menschen zusammenzubringen, bestens bewährt«, so der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Das ist vor allem auch für diejenigen wichtig, die aus kleineren Gemeinden kommen.« Gerade für sie gibt es nur wenige Angebote einer Teilhabe am jüdischen Leben.
Zugleich forderte Schuster, dass jungen Erwachsenen mehr Möglichkeiten gegeben werden sollten, sich in ihren Gemeinden vor Ort zu engagieren. »In dem Moment, wo das gelingt, zieht man automatisch weitere junge Menschen an.« Das wäre für ihn ein Weg, die Zukunft der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland nachhaltig zu sichern.
Für Abraham Lehrer, Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), ist es der gemeinsame Kabbalat Schabbat, auf den er sich immer wieder aufs Neue freut, wenn er auf einem Jugendkongress mit dabei ist.
Seine Botschaft: »Es ist wichtig, die Stimmungen und die Gefühle der anderen Teilnehmer kennenzulernen. Hört euch an, was die anderen denken und fühlen.«
Für Ron Prosor, Israels Botschafter in Deutschland, weckt jeder Jugendkongress erst einmal Erinnerungen an seinen alten Freund Benny Bloch sel. A., den langjährigen Direktor der ZWST, die die Veranstaltung auf die Beine stellt. Mehrere Male war Prosor in den Anfangsjahren mit dabei.
Zugleich richtete Prosor den Blick auf Israel und sprach davon, wie stolz er auf die junge Generation in Israel sei. »Da waren junge Israelis, weit weg in Kathmandu auf über 5000 Meter Höhe oder in Indien und in Südamerika. Und in dem Moment, in dem sie erfuhren, was am 7. Oktober geschehen war, kehrten sie sofort nach Hause zurück, um den einzigen jüdischen Staat zu verteidigen.« Das gebe ihm die Gewissheit, dass das Land gestärkt aus der Katastrophe herauskommen wird.
Der Jugendkongress ist seit Jahren eine feste Größe im Terminkalender junger jüdischer Erwachsener im Alter zwischen 18 und 35 Jahren. Auch diesmal rechnen die Veranstalter mit über 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus ganz Deutschland. Sein Erfolgsrezept: die gelungene Mischung aus Workshops oder Vorträgen zu tagesaktuellen Themen mit hochkarätigen Referenten, die viel Stoff für Diskussionen und zum Meinungsaustausch liefern. Und natürlich der gemeinsame Schabbat sowie die schon legendäre Party am letzten Abend.
So ist es auch dieses Jahr in Berlin. Wer will, kann an der Tour »Unterwelten Berlin« teilnehmen und in die Tunnelfluchten unterhalb der ehemaligen Berliner Mauer eintauchen, eine Segway-Führung durch die Stadt unternehmen oder einen Blick in die Räumlichkeiten der »Jüdischen Allgemeinen« sowie des Zentralrats der Juden in Deutschland werfen – selbstverständlich alles unter fachkundiger Anleitung.
Auch ein Gespräch mit der Bundesvorsitzenden der Grünen, Ricarda Lang, sowie der Autorin und Aktivistin Düzen Tekkal steht auf dem Programm. Zusätzlich gibt es eine interessante Keynote-Rede, diesmal von Kevin Kühnert, Bundestagsmitglied und Generalsekretär der SPD. Da ergibt sich so manche Möglichkeit, politischen Akteuren kritische Fragen zu stellen und das Gespräch zu suchen.
»Wir wollen bewusst Räume schaffen, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit haben, die extrem herausfordernde, schwere, belastende Zeit seit dem 7. Oktober ein Stück weit zu verarbeiten«, hatte Aron Schuster das Konzept hinter dem diesjährigen Jugendkongress bereits im Vorfeld im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen skizziert. »Es gibt Safer Spaces, moderiert von Expertinnen«, so der Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle weiter. »Wir haben gespürt, der Bedarf nach stabilisierenden Settings ist deutlich gestiegen.«
Traditionell ist der Jugendkongress natürlich auch eine bewährte Plattform, um alte Freunde wiederzutreffen und neue kennenzulernen, kurzum, es geht um Vernetzung und die Stärkung jüdischer Identität. Wie so etwas auch außerhalb des Jugendkongresses funktionieren kann, zeigen die zahlreichen Gruppen, die sich vor Ort in Berlin vorstellen, beispielsweise die JSUD, Maccabi Deutschland oder die queere Initiative Keshet.