»Ich würde das Spontan-Terrorismus nennen«
Kai Hirschmann über die
Zug-Bomben und Gefahrenabwehr
Herr Hirschmann, unauffällige muslimische Studenten in Jeans und T-Shirt versuchen, ganze Züge in die Luft zu sprengen. Hat der »Heilige Krieg«, der Dschi- had-Terrorismus, in Deutschland eine neue Qualität erreicht?
hirschmann: Ich sehe nicht die Einbindung in das Dschihad-Netzwerk. Hier haben sich Einzeltäter oder eine Kleingruppe dazu berufen gefühlt, mit Gewalt zu protestieren, vielleicht gegen eine politische Haltung der Deutschen oder der Europäer. Ich würde das eher Spontan- oder Jedermanns-Terrorismus nennen.
Wie hoch ist die Gefahr, daß diese Einzeltäter eingebunden werden in bereits bestehende islamistische Terrorgruppen?
hirschmann: Eine Ideologie wie der Dschihad-Terrorismus braucht immer eine Verortung in realen Ereignissen. Deshalb sind Menschen, die sich empören, willkommene Rekruten für die Anwerber des Dschihad.
Über mögliche Verbindungen des Studenten von Kiel zur Hisbollah ist bisher nichts bekannt. Wie groß ist die Gefahr, daß die »Partei Gottes« auch hierzulande zuschlägt?
hirschmann: Das ist sehr hypothetisch. Hisbollah hat sich bisher – bis auf zwei Ausnahmen in Buenos Aires – auf lokalen Terrorismus beschränkt. Deutschland und Europa ge- hören bislang nicht zu den Kampfgebieten, die die Hisbollah definiert hat.
Wie sinnvoll ist es, zur Terrorbekämpfung Bahnhöfe per Video zu überwachen?
hirschmann: Zur Verhinderung von Terroranschlägen taugt die Videoüberwachung nicht, wohl aber zu ihrer Aufklärung, wie wir jetzt gesehen haben.
Politiker aller Fraktionen fordern inzwischen einstimmig die Einführung einer Anti-Terror-Datei. Sie auch?
hirschmann: Eine solche Datei ist absolut notwendig! Ich fordere sie schon seit langem. Wir müssen alle relevanten Informationen über islamistische und andere extremisitische Kreise, auch rechtsextremistische, zusammenführen, damit wir daraus ein Lagebild machen können. Sei sie nun als Index- datei oder als Volldatei ausgestaltet: Wichtig ist, daß diese Datei endlich kommt.
Mit dem stellvertretenden Direktor des Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik sprach Tobias Kühn.