»Ich verstecke mich nicht«
Wie Rabbiner auf
den Anschlag
reagieren
von Katrin Richter
Welche Konsequenzen ziehen Rabbiner in Deutschland aus dem gewalttätigen Übergriff auf ihren Frankfurter Kollegen am Freitagabend? Wie werden sie sich zukünftig in der Öffentlichkeit zeigen, mit Kippa oder ohne? Wie riskant ist es für einen Rabbiner, durch die Stadt zu gehen?
Die Meinungen gehen auseinander. Für Salomon Almekias-Siegl, Landesrabbiner in Sachsen, steht fest: »Angst habe ich nicht. Ich bin stolz, und ich brauche mich als Jude nicht zu verstecken.« Er selbst habe sich bei der Kriminalpolizei Leipzig nach der Sicherheitslage erkundigt und hofft, bald eine Antwort zu bekommen. »Die Tat ist bedrückend und entmutigend, gerade jetzt vor den Feiertagen.« Er vertraue auf Gott, sagt Almekias-Siegl, dass er die Juden beschütze.
Auch Rabbinerin Gesa Ederberg in Berlin hat der Übergriff erschüttert. »Furchtbar, ich wusste, dass so etwas theoretisch passieren kann, aber für möglich gehalten habe ich es vorher nicht«, sagt sie. Die Frage nach sogenannten No-Go-Areas stelle sich aber nur bedingt. Dennoch: Ederberg will in Zukunft mehr darauf zu achten, wo es eventuell gefährlich werden könnte.
Als Tat von einer neuen, bedenklichen Qualität betrachtet der Braunschweiger Rabbiner Jonah Sievers den Übergriff. Für ihn und sein öffentliches Auftreten als Rabbiner werde der Angriff auf den Kollegen keine unmittelbaren Folgen haben. Wachsam sei er ohnehin. Auch der Schleswig-Holsteinische Landesrabbiner Walter Rothschild trägt eher selten einen großen Rabbinerhut. »Eine Mütze ist sicherer.«
Chabad-Rabbiner Shlomo Bistritzky in Hamburg kann es nicht fassen, dass der Überfall auf einer großen Straße geschah. »Das sollte das deutsche Volk wachrütteln.« Es gibt Viertel in Hamburg, die Bistritzky nachts nicht allein betritt. Und die Kippa absetzen? »Das kommt gar nicht in Frage. Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht. Ich bin stolz, mich als Jude zu zeigen.«
Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz hat nach dem Frankfurter Anschlag alle demokratischen Kräfte in Deutschland dazu aufgerufen, sich gegen gegen Hass in der Gesellschaft zu wehren. »Das Gebot ›Du sollst nicht töten‹ gilt für alle Religionen.«