von Alice Lanzke
Der Gegensatz zwischen Musiker und Pu-
blikum könnte an diesem Donnerstagabend in der Oranienburger Straße nicht größer sein: vor der Bühne die größtenteils älteren Zuhörer in schicker Abendgarderobe, auf der Bühne ein junger Mann in zerrissenen Jeans und bunten Turnschuhen. Doch die Skepsis, die Daniel Donskoy zu Beginn noch entgegenschlägt, ist schnell verschwunden. Zu groß sind die Entertainerqualitäten des 19-Jährigen. So tanzt er bereits beim ersten Titel, einem israelischen Liebeslied in Swingversion, ausgelassen über die Bühne, von Nervosität keine Spur. Einige Stücke später wippen die meis-ten im Publikum bereits im Takt mit.
Den Eindruck eines Energiebündels verbreitet Donskoy auch fernab der Bühne. Wenn er von seinen Ideen für die Zu-
kunft spricht, schaut ihm der Schalk aus den Augen, die Hände gestikulieren wild und fahren immer wieder durch den feuerroten Haarschopf. Vor einem knappen Jahr ist er von Israel alleine nach Berlin gekommen – der Stadt, in der er den größten Teil seiner Kindheit verbracht hat. »Ich entdecke Berlin gerade ganz neu«, sagt er. »Die Stadt ist für junge Künstler so vielfältig und inspirierend!« Nicht minder bunt sind Donskoys Zukunftspläne: Zurzeit wartet er auf einen Studienplatz für Medizin, jobbt derweil in der Bar des Kulturzentrums Tacheles, modelt nebenbei und denkt auch noch über die Musikkarriere nach. »Bis vor Kurzem war ich mir nicht sicher, ob ich bereit bin, alles für die Musik zu geben«, räumt er ein. Zudem es seine Familie sicher lieber sähe, wenn er sich für Medizin entscheiden würde.
Dabei kann Donskoy bereits auf einige musikalische Erfolge zurückblicken: In Israel nahm er 2008 an »Kochav Nolad«, der israelischen Version von »American Idol«, teil. In der letzten Runde vor Beginn der Solo-Shows flog er raus – dennoch will er die Erfahrung nicht missen. »Auch wenn ich sauer und enttäuscht war, als ich gehen musste.« Nun überlegt er, ob er sich bei »Deutschland sucht den Superstar« be-
wirbt. »Auf der einen Seite denke ich, lass es lieber, auf der anderen Seite ist es wie eine Sucht«, sagt er und fügt hinzu: »Ich bin eben eine Rampensau.«
»Kochav Nolad« ist nicht der einzige Wettbewerb, an dem er teilgenommen hat. Im Dezember vergangenen Jahres war er beim Künstlerwettbewerb der jüdischen Kunst und Musik, der »Goldenen Chanukkia« dabei. Erster ist er hier zwar nicht ge-
worden, dennoch hat es sich für Daniel Donskoy gelohnt. So wurde für das Konzert ein Video produziert, außerdem hat er eine Aufnahme in einem Tonstudio ge-
wonnen, die er sinnvoll nutzen will: »Da-
für will ich mir etwas Gutes überlegen«, betont Donskoy. Schon in Israel hat er an-
gefangen, eigene Lieder zu schreiben. »Das ist ohnehin ein melodisches Land: Für jeden Anlass gibt es ein Lied, ständig wird gesungen«, schwärmt er. Mit fünf Jahren fing er an, Klavier zu spielen, sang in Chören und brachte sich selbst das Gitarre- spielen bei. »Dadurch habe ich wieder etwas ganz Neues in der Musik entdeckt«, sagt er. Später bekam er noch einen Synthesizer geschenkt und tüftelt seither an eigenen Songs. Gerade ist er dabei, seine hebräischen Lieder ins Deutsche und Englische zu übersetzen, um so attraktiver für ein Plattenlabel zu werden – keine leichte Aufgabe. »Ich möchte mit meinen Songs kleine Geschichten erzählen, allerdings klingen diese auf Hebräisch viel besser als in einer anderen Sprache«, klagt Donskoy.
In seiner Musik will er sich nicht festlegen – sie speist sich aus vielen verschiedenen Genres. Dazu gehören russische Klassik wie orientalisch-israelische Klänge, Jazz wie Blues, Balladen wie Rock-Songs. Einen bestimmten Sänger hat er dabei nicht als Vorbild.
So vielfältig wie seine musikalischen Vorlieben sind auch seine kulturellen Ein-flüsse: Seine Mutter ist gebürtige Ukrai-nerin, sein Vater Russe. 1990 zog die Fa-milie nach Berlin. Nach der Trennung der Eltern zog Daniel mit der Mutter und ih-
rem neuen Partner 2002 nach Israel, wo er von 2004 bis 2008 auch die Schule besuchte und sein Abitur machte. Dann musste er sich entscheiden: »Alle meine Freunde gingen zur Armee, was ich mit meiner deutschen Staatsbürgerschaft nicht musste.« So kam er wieder nach Berlin. Und bekam hier auch einen ganz anderen Bezug zum jüdischen Staat und dem Judentum: »In Israel tritt die Religion viel mehr in den Hintergrund«, erzählt er.
Beim Konzert in der Oranienburger Straße sitzen nun vor allem russischsprachige Juden im Publikum. Mit seiner charmanten und unbekümmerten Art hat er die Zuhörer schnell auf seiner Seite – sie verzeihen ihm auch kleine Textaussetzer: »Ich habe so viel Lampenlicht«, entschuldigt er sich grinsend, was mit Gelächter quittiert wird. Wie sein Repertoire wechselt auch seine Stimme, wird rauchig bei den rockigeren Stücken und klar bei den Balladen. Neben der Stimme ist es aber vor allem Daniel Donskoys Qualität als En-
tertainer, mit der er überzeugt: Wenn er über die Bühne tanzt und ganz selbstverständlich mit dem Publikum spielt, hat das fast etwas von einem jungen Frank Sinatra – und der hatte zu Beginn seiner Karriere sicher auch jede Menge »Lampenlicht«.