von Marina Maisel
Zwei riesige Blumensträuße von der Israelitischen Kultusgemeinde München – das hatte sich Elena Velikina nicht träumen lassen. Sie ist glücklich und genießt den Duft der Blumen, der vor allem aus einem der beiden besonders intensiv strömt. »Danke für so schöne Blumen!«, sagt die Jubilarin und vertieft ihre Nase in die herrliche Komposition rosa-weißer Blüten. Die Schönheit kann sie nur riechen. »Seit einem Jahr«, erzählt ihr 73-jähriger Sohn, Vladimir Feldman, »kann meine Mutter nicht mehr sehen, außerdem hört sie sehr schlecht.« Dann liest ihr der Sohn die Gratulationen von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch und von Bundespräsident Horst Köhler vor. Kaum ist er damit fertig, fragt die alte Dame auch schon: »Kann ich irgendwo Nachrichten über die Gemeinde hören? Gibt es nicht solch einen Radiosender?« Regelmäßig informiert sich die 100-Jährige über die politische und wirtschaftliche Situation bei »Radio Swoboda« und »Radio Russland«.
Geboren wurde Elena Velikina in Weißrussland im Gomel-Gebiet. Dort besuchte sie die Schule und zog 1925 nach Leningrad, um dort an der Hochschule für Bauingenieure zu studieren. Während des Studiums lernt sie ihren späteren Mann Aron Feldman kennen. Vier Jahre später kommt Sohn Vladimir zur Welt. Den Kriegsanfang erlebt Elena in Tscheljabinsk. Ihr Mann zieht als Freiwilliger in den Krieg. »Es waren die schwierigsten Jahre meines Lebens«, erinnert sich Elena Velikina. Allein muss sie die fünfköpfige Familie ernähren. Bis 1944 ist die Bauingenieurin in zwei Hüttenwerken für die Projektentwicklung zuständig. Dann muss sie beruflich nach Georgien. »Als mein Mann nach dem Krieg zurückkam und nach Hause, nach Leningrad, wollte, entließ man mich nicht«, erinnert sich Elena Velikina bitter.
Erst Mitte 1946 kommt sie zurück in die Stadt an der Newa und fängt eine Arbeit in einem Projektinstitut an. 1962 geht sie in Rente, vier Jahre später stirbt ihr Mann. Bücher und Zeitungen, Theater und Philharmonie waren die Lieblingsbeschäftigungen der alten Dame. 1997 kommt die Entscheidung, zusammen mit dem Sohn und der Schwiegertochter nach Deutschland auszuwandern. »Die nationalistische Welle bewog uns dazu wegzugehen«, erzählt Vladimir Feldman.
Heute feiert Elena Velikina ihr Jubiläum im Kreise ihrer Familie in München Giesing und glaubt es selber kaum, dass schon 100 Jahre hinter ihr liegen, denn wie sie immer wieder sagt, fühle sie sich noch gar nicht so alt.