Herr Kasher, Zahal-Soldaten haben über unmoralisches Verhalten von Kameraden im Gasakrieg berichtet (vgl. S. 5). Was ist an diesen Vorwürfen dran?
kasher: Man muss erst einmal genau prüfen, ob diese Geschichten wahr sind. Das untersuchen Juristen und Kommandeure der Armee derzeit. Wir müssen die Ergebnisse abwarten.
Es gibt Vorwürfe, Soldaten hätten Kriegsverbrechen begangen. Sind sie berechtigt?
kasher: Wir sind an palästinensische Propaganda gewöhnt – und daran, dass ausländische Medien derartige Schlagzeilen aus Israel sehr gerne aufnehmen. Aber es gibt keinen Grund für Vorverurteilungen. Wenn die Vorwürfe zutreffen, lautet die Frage, ob sie während der »Operation Gegossenes Blei« die Regel waren. Wenn dem so wäre, müsste die Zahl der zivilen Opfer allerdings in die Zehntausende gehen. Doch das ist nicht der Fall.
Ein Zahal-Offizier wurde in Zeitungen mit den Worten zitiert, Moral könne im Krieg unterschiedlich interpretiert werden. Wie sehen Sie das?
kasher: Bei kriegerischen Handlungen stehen Interpretationen nicht im Vordergrund. Generell geht es in der Armee nicht um moralische, sondern um professionelle Defizite. In unseren Einheiten kämpfen Wehrdienstleistende, die eine relativ kurze militärische Ausbildung durchlaufen. Auf den unteren Ebenen haben junge Offiziere das Kommando. Ihre Fähigkeit, die Werte und den Geist der Armee zu verstehen, ist nicht immer ausreichend groß. Und in einem Konflikt, in dem Militäreinsatz erforderlich ist, passieren Fehler. Zehn unserer Soldaten starben durch Kugeln ihrer eigenen Kameraden. Trotz der widrigen Umstände in Gasa wurde alles ver- sucht, um ziviles Leben zu schützen. Das geschah zum Beispiel dadurch, dass die Bewohner mit Flugblättern und Anrufen vor den Angriffen zum Verlassen der Kampfzone aufgefordert wurden.
Verteidigungsminister Ehud Barak betont, Israel habe die moralischste Ar-
mee der Welt. Was halten Sie von diesem Superlativ?
kasher: Wenn man die abstrakten Ebenen ethischer Standards betrachtet, lässt sich sagen, dass Zahal die höchsten der Welt hat. Auch auf der Kommandoebene trifft diese Aussage zu. Bei kämpfenden Truppen lassen sich die Standards sehr schwer vergleichen.
Mit dem Professor für Philosophie und Ethikberater der israelischen Armee sprach Detlef David Kauschke.