von Sabine Brandes
Eine Woche nach dem neuesten verheerenden Zugunglück ist das Land noch immer auf der Suche nach den genauen Ursachen. Am Montag vergangener Woche kollidierte ein Passagierzug in Beit Jehoschua bei Netanja mit einem Pkw. Fünf Menschen starben, 80 wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Verkehrsminister Schaul Mofaz setzte umgehend zwei unabhängige Untersuchungskommissionen ein.
David Ben-Schani steigt täglich in den Zug, der ihn von Kfar Saba in seine Kanzlei nach Tel Aviv bringt. Angst? »Auf jeden Fall ein sehr ungutes Gefühl«, so der Anwalt. Es hätten schon lange bessere Sicherheitsmaßnahmen durchgesetzt werden müssen, spätestens nach den schrecklichen Unfällen des vergangenen Jahres. »Doch viele Übergänge sind so unsicher wie vorher.«
Das traurige Ergebnis eines ähnlichen Zusammenstoßes im Juni 2005 waren acht Tote und 150 Verletzte. Nur wenige Tage darauf wurden bei einem weiteren Zugunglück mehrere Dutzend Menschen verletzt. Die Untersuchung des Verkehrsministers ergab damals schwere Unterlas-
sungen der Bahngesellschaft Israel Railways in Sachen Sicherheit. 31 Übergänge wurden als »unsicher« eingestuft. Auch Beit Jehoschua gehört dazu. Langfristig sollen an diesen Übergängen Brücken oder Tunnel gebaut werden. Doch noch ist nichts geschehen. Mosche Barak, Sicherheitsexperte für Transportwesen, fordert zusätzlich Kameras. Seiner Meinung nach könnten diese Unfälle nur so verhindert werden. Die Installation jedoch würde mindestens fünf Jahre dauern.
Israels neuestes Transportmittel wird immer schneller und populärer. Täglich steigt die Zahl der Passagiere, das Strekkennetz wird permanent erweitert. Die Sicherheit aber wächst nicht mit. Noch immer gibt es unbeschrankte Übergänge, in 2005 zählte die Polizei allein im nördlichen Teil des Landes acht Unfälle mit Zügen. Doch es ist nicht nur die Betreibergesellschaft, die Fehler macht. Erst seit eini- gen Jahren gehören Eisenbahnen verstärkt zum Straßenbild, israelische Autofahrer sind nicht an Züge gewöhnt. Anders als in Deutschland haben die Fahrer wenig Respekt vor Schienen. Immer wieder sieht man Lkw und Pkw bei Rückstaus auf den Gleisen halten. Bei einer Routinekontrolle zählte die Polizei innerhalb weniger Stunden drei Wagen, die Schienen bei rotem Signal überquerten. Einer davon war ein vollbesetzter Schulbus.
Israel-Railways-Direktor Ofer Linchevski will den Bau der Sicherheitsmaßnahmen jetzt vorantreiben. »Das kann jedoch nicht über Nacht geschehen.« Das Budget von zwei Milliarden Schekel (umgerechnet ca. 350 Millionen Euro) stehe bereit, aber die Baugenehmigungen fehlten noch, sagt Linchevski. »Nach 58 Jahren muß endlich etwas geschehen.«
Knessetmitglied Gilad Erdan verlangt mehr: Er will, daß die Züge ihre Geschwindigkeit an gefährlichen Stellen drosseln. Sogar wenn das die Fahrpläne durcheinanderbringt. »Menschenleben sind wichtiger.« Bei dem gemeinsamen Treffen erklärte sich der Bahnchef bereit, innerhalb von zehn Tagen Sicherheitspersonal abzustellen, das ständig im Einsatz ist. Zwar waren an den als gefährlich eingestuften Übergängen bereits nach den Unfällen von 2005 Angestellte mit Funkgeräten positioniert, doch lediglich zur Rush-Hour. Der Posten in Beit Jehoschua hatte schon Feierabend. Zwei Stunden bevor der Zug in den Pkw raste.