Hin und Her in
Delmenhorst
Eigentümer will Hotel möglicherweise rechter Stiftung schenken
von Heide Sobotka
Die niedersächsische Stadt Delmenhorst könnte bei ihrem Wettlauf um das ehemalige Hotel am Park doch noch das Nachsehen haben (vgl. Jüdische Allgemeine vom 10. August). Zwar hat sie mit der Aufnahme des Hotels in das erweiterte Sanierungsprogramm der Innenstadt neue rechtliche Grundlagen für den Verkauf des Hotels geschaffen, doch sollte der Hotelier und Verkäufer Günter Mergel seine Ankündigung wahrmachen und die Hotelanlage dem rechtsextremen Rechtsanwalt Jürgen Rieger schenken, wäre diese Rechtsgrundlage ausgehebelt. Damit ginge der Stadt sowohl das Genehmigungsrecht beim Verkauf sowie das Vorkaufsrecht verloren.
Alles hat die 80.000-Einwohner-Stadt versucht, um die Ansiedlung einer rechtsextremen Kaderschmiede in Delmenhorst zu verhindern. Bei Montagsdemonstrationen zeigten die Bürger ihre Ablehnung, dem rechtsradikalen Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger und seiner Wilhelm-Tietjen-Stiftung das Feld zu überlassen.
Am vergangenen Montag gingen bei strömenden Regen 400 Menschen auf die Straße. »Noch gibt es in Delmenhorst keine rechtsextreme Szene«, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Pedro Becerra. Das wolle man mit allen Mitteln verhindern. »Heute ist es Delmenhorst, morgen eine andere Stadt«, warnte Sara-Ruth Schumann vom Landesverband der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Die Gegenwehr der Delmenhorster imponiere. »Wir als jüdische Gemeinde sind stolz, in einer Stadt zu leben, in der die Bürger so schnell gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gegangen sind«, sagte Becerra. Es könne jedoch nicht sein, daß Bürger Geld sammeln müssen, um zu verhindern, das Rechtsextreme Eigentum erwerben.
712.358 Euro und 39 Cent wies der Liveticker der Stadt im Internet das Spendenkonto der Delmenhorster Bürger am Mittwochmorgen aus. Am Montag hatten die Angestellten des Rathauses 1.550 Euro gesammelt. Doch noch scheint die Summe nicht auszureichen, um Rieger mit seinem 3,4 Millionen Euro-Angebot Paroli zu bieten. Stadtsprecher Timo Frers macht jedoch Hoffnung. »Wir werden als Stadt unseren Obulus leisten. Der kann jedoch nur in Höhe des tatsächlichen Verkehrswertes des Hotels liegen.« Ob dieser bei den bereits genannten 1,4 Millionen Euro oder höher liegt, muß eine Expertenkommission nach Einsicht in Katasterunterlagen entscheiden. »Die Bürger-Spenden könnten auf diesen Betrag draufgesattelt werden«, sagt Frers.
Durch eine Schenkung könnte jedoch in allerletzter Minute der gute Ruf der Stadt doch noch Schaden nehmen. Polizeivizepräsident Dieter Buskohl hatte Delmenhorsts Zukunft schon in düsteren Farben geschildert. Die Stadt könnte zur Schaltzentrale der NPD im Nordwesten werden, »mit allen polizeilichen Folgen«, befürchet Buskohl. Das Ringen geht also weiter. Täglich gibt es Aktionen – von der Gulaschsuppe gegen Rechts, über »bunte Frauen gegen Braun« bis zum Musik-Marathon am kommenden Samstag auf der Burginsel. Noch geht den Delmenhorstern jedenfalls die Puste nicht aus.