von Rabbi Berel Wein
Der Talmud berichtet, wie Rabbi Yismael einmal Rabbi Meir, einen der größten Schüler von Rabbi Akiva, traf. Er fragte Rabbi Meir: »Mein Sohn, was für eine Arbeit machst du?« Rabbi Meir antwortete: »Ich bin Schreiber.« Worauf der große Rabbi Yismael erwiderte: »Mein Sohn, verrichte deine Arbeit sorgfältig und gewissenhaft, denn deine Arbeit ist die Arbeit des Himmels!«
Eine einfache Erklärung für die Bemerkung von Rabbi Yismael ist, dass ein Schreiber sehr sorgfältig sein muss, wenn er die Torarolle oder die Rollen für Tefillin und Mesusot schreibt. Denn beim Abschreiben einen Fehler zu machen, wird unweigerlich dazu führen, dass die Rolle nicht verwendet werden kann. Selbst eine Fliege, die sich auf die nasse Tinte setzt und sie verschmiert, macht die Rolle wertlos. In einem tieferen Sinn sagte Rabbi Yismael nicht nur zu Rabbi Meir, sondern zu uns allen, dass alles, was wir im Leben tun, Sorgfalt und Aufmerksamkeit erfordert –die Arbeit und das Verhalten eines Juden auf der Erde wird danach beurteilt, inwieweit sie die Arbeit des Himmels befördert. Nach diesem Kriterium werden wir geschätzt: Fördern unsere Taten und unser Verhalten in allen Lebensbereichen die Arbeit des Himmels? Oder machen sie diese gar zunichte?
Das Judentum legt großen Wert auf die scheinbar kleinen und banalen Aktivitäten des Lebens. Alles im Leben wird dieser Kategorie »Arbeit des Himmels« zugerechnet. Daraus folgt, dass alles und alle Bedeutung haben und Aufmerksamkeit und Sorgsamkeit erforschen.
In der Tora ist von Negaim die Rede – Arten spiritueller Plagen, die sich im Physischen manifestierten und dazu führten, dass eine Unreinheit auftrat. Die Tora schildert diese verschiedenen Arten von Negaim in allen Einzelheiten. Es gab sie in drei Bereichen im Leben eines Menschen. Erstens, im eigenen Körper, der eigenen Person. Dann im Haus. Und schließlich in der Kleidung, die jemand trug.
Obgleich wir die zugrunde liegenden Definitionen und tatsächlichen Ursachen für die Negaim nicht mehr enträtseln können, selbst wenn wir die Kommentare und Erläuterungen des Talmuds und der großen rabbinischen Kommentatoren aller Epochen zu Rate ziehen, können wir gleichwohl eine bestimmte Lehre daraus ziehen. Sie besteht darin, dass drei Lebensbereiche die entscheidenden Gefahrenzonen sind. Sie sind den Negaim am meisten ausgesetzt – den spirituellen Plagen und falschen Verhaltensweisen, die unsere
sonstigen guten Taten negieren und unsere Leben verdüstern.
Das persönliche Verhalten und ein gutes Selbstbild sind die Schlüssel zu einer Tora-Persönlichkeit. Weisheit, Geduld, Toleranz und viel Liebe sind notwendig, um gute Familienverhältnisse aufzubauen und die Generationen in Harmonie und gegenseitigem Respekt zu verbinden. Ebenso definiert die Person, die wir nach außen darstellen, das, was andere Menschen von uns halten. Die Rabbiner des Talmuds betonten stets: »Was haben die anderen Geschöpfe Gottes über diesen Menschen zu sagen?« Einer, der von seinen Mitmenschen geliebt und geehrt wird, dem wird diese Behandlung auch vom Himmel zuteil.
Wie also wird der Krieg gegen Negaim erfolgreich geführt? Indem man sich vergewissert, dass alles, was man tut, wahrhaftig die Arbeit des Himmels ist. Erst dann können wir damit beginnen, das riesige Potenzial für das Gute, das in jedem Einzelnen von uns steckt, auszuschöpfen.
Rabbi Yisrael Salanter erklärte, dass die erhabene Gerechtigkeit und Heiligkeit von Chanoch in der Tatsache gründete, dass er, wie der Talmud berichtet, Schus-ter war und bei jedem Stich, den er bei der Fertigung von Schuhen ausführte, »Gottes Lob sang«.
Rabbi Salanter fährt fort zu erläutern, dass der Talmud nicht sagen will, Chanoch habe beim Schustern Psalmen oder Hymnen an Gott rezitiert. Der Talmud bedeutet uns damit, dass er gute Schuhe machte, dass jeder Stich perfekt saß, dass er seinen Kunden ausgezeichnete Qualität für ihr Geld lieferte. Jemand, der so arbeitet, singt das Lob des Herrn, denn auf diese Weise befördert er die Arbeit des Himmels auf Erden.
Was Menschen für ihr Geschäft oder ihren Beruf oder ihre Arbeit ansehen und für nicht mehr als das, ist in Wirklichkeit die Arbeit des Himmels – sie müssen es nur so begreifen. Sorgfalt und Qualität sind also in allen Bereichen des Lebens gefordert – in unserem persönlichen Verhalten und unserer psychischen Disposition, in unserem Zuhause und unserer Familie und bei unserem Umgang mit der Welt. Allein eine solche Einstellung, alles mit Sorgsamkeit, Aufmerksamkeit und weiser Abwägung zu behandeln, allem Qualität abzugewinnen, kann uns tatsächlich helfen, die Arbeit des Himmels voranzubringen.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von www.rabbiwein.com