von Tobias Kühn
Es gibt Menschen, die jeden Tag erhebende Momente erleben. Zu ihnen gehören die Mitarbeiter des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Synovate: Sie erheben Daten. Kürzlich mussten sie im Auftrag des American Jewish Committee (AJC) eintausend jüdische Amerikaner anrufen und sie zu politischen, gesellschaftlichen und sozialen Themen befragen. Die repräsentative Umfrage wird seit 1997 jedes Jahr durchgeführt. In der vergangenen Woche veröffentlichte das AJC das aktuelle Ergebnis und legte den »2007 Annual Survey of American Jewish Opinion« vor.
Obenan stehen in diesem Jahr Fragen zu den Präsidentschaftskandidaten. 53 Prozent der Teilnehmer wünschen sich einen Einzug Hillary Clintons ins Weiße Haus, 41 Prozent sähen gern Rudolph Giuliani als nächsten Präsidenten. Das ist erstaunlich viel, wenn man bedenkt, dass 58 Prozent der Befragten sich als Demokraten bezeichnen, 26 als unabhängig und nur 15 Prozent als republikanisch. »Giuliani ist der jüdischen Gemeinschaft wohlbekannt«, sagt David Singer, AJC-Forschungsdirektor. »Weil er Bürgermeister von New York war, ist ein signifikanter Teil der jüdischen Bevölkerung mit ihm vertraut.« Giulianis Popularität unter Juden resultiert zum Teil aus seiner Unterstützung Israels, vor allem aber daraus, dass er als der gemäßigteste Republikaner gilt.
Schaut man ins Detail der Erhebung, ergeben sich folgende Differenzierungen: Bei den jüdischen Wählern, die sich als Demokraten bezeichnen, kommen nach Hillary Clinton in der Wählergunst John Edwards und Barack Obama. Bei republikanisch wählenden Juden belegen John McCain und Mitt Romney die Plätze 2 und 3. Dass Mike Huckabee überhaupt nicht erscheint, liegt vor allem daran, dass die Erhebung zwischen dem 6. und 25. November durchgeführt wurde. Damals ahnten nur wenige, dass der frühere Gouverneur von Arkansas in nationalen Umfragen zu den Urwahlen von Iowa (3. Januar) weit vorn liegen würde.
Aber im AJC-Survey geht es nicht nur um die Wahlen. Wie jedes Jahr sollten die Teilnehmer der Umfrage auch sagen, welches der Probleme, denen die USA derzeit gegenüberstehen, ihrer Meinung nach das gravierendste ist. 22 Prozent nannten »Wirtschaft und Jobs«, 19 Prozent »Gesundheitsfürsorge«, 16 Prozent »Krieg im Irak«. Amerikas Juden unterscheideen sich demnach deutlich von der Gesamtbevölkerung. Denn nach einer aktuellen Umfrage von CBS News und New York Times halten 25 Prozent der Amerikaner den Krieg im Irak für das größte Problem, »Wirtschaft und Arbeit« kamen nur auf 12 Prozent.
In Israel löst die jüngste AJC-Umfrage Bedenken aus. Die Tageszeitung Haaretz erkennt in den jüngsten Zahlen einen Trend, dass die amerikanischen Juden ihr Interesse an Israel verlieren. Den Satz »Für Israel zu sorgen, ist ein wichtiger Teil meines Jüdischseins« bejahten diesmal nur 69 Prozent, 2006 waren es 74, 2005 noch 79 Prozent.
Ein leichter Abwärtstrend ist auch bei der Religiosität amerikanischer Juden zu beobachten. Gaben 2005 noch 57 Prozent der Befragten an, Mitglied einer Synagogengemeinde zu sein, waren es im vergangenen Jahr 53 und in diesem Jahr nur noch 50 Prozent. Da mag es für Rabbiner und Gemeindefunktionäre nur ein schwacher Trost sein, dass die Meinungsforscher die Fehlerquote der Erhebung auf plus-minus drei Prozent beziffern.
Die gesamte Studie ist im Internet unter www.ajc.org zu finden.