von Daniela Breitabrt
Der Name ist Programm. »Haus Abraham« heißt die Begegnungsstätte, die Juden, Christen und Muslime zusammenbringen soll, benannt nach dem gemeinsamen Stammvater, auf den sich alle drei monotheistischen Religionen berufen. Hier, im Kloster Denkendorf, entstand ein »Klein-Jerusalem«, wie Meinhard Tenné, Mitinitiator und Sprecher der jüdischen Seite es nennt. Hier gibt es nicht nur Gebete und Gespräche, sondern auch Planspiele, Vorträge und Ausstellungen. »Das funktioniert gut«, sagt Tenné. Er will, dass die Teilnehmer zu Multiplikatoren in ihren Ge- meinschaften werden, die für gegenseitigen Respekt und ein friedliches und fruchtbares Miteinander werben und dafür, eine gemeinsame Sprache zu finden.
Kann dies ein Vorbild für die jüdischen Gemeinden sein? Marcel Wainstock erinnert gerne an die Zeit nach dem Krieg. Damals, so der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Saarbrücken, hatten auf Initiative der Stadt Neunkirchen Mitarbeiter des Pfarramts einen interreligiösen Dialog ins Leben gerufen, mit Vertretern der Bahai, einer aus Indien stammenden monotheistischen Religion sowie der christlichen und jüdischen Gemeinden. Gemeinsam führten sie Gespräche mit Überlebenden von Konzentrationslagern, organisierten ein Friedensgebet. Später kam die türkische Gemeinde dazu.
Als es vor acht, neun Jahren in Saarbrücken Irritationen wegen des Baus einer Moschee gab, reagierte der damalige Oberbürgermeister der Stadt, Hajo Hoffmann, prompt und rief zum interreligiösen Dialog auf. So entstanden lockere, informelle Treffen und Veranstaltungen, bei denen sich Juden, Vertreter muslimischer Vereine, Türken und Aleviten näherkommen und austauschen konnten. Ein fruchtbarer Boden für mehr, dachten sich die jüdischen Teilnehmer, eine Chance, um »heißere Eisen anzupacken«, erzählt Wainstock. Zum Beispiel Hetzfilme gegen Juden, die mehrere Politmagazine damals thematisierten. Doch der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde, die vorwiegend aus arabischen und afrikanischen Muslimen bestand, blockte ab. Gespräche über Politik wurden strikt verweigert. Keine gute Basis, um eine wirklich vertrauensvolle Beziehung herzustellen, befanden Kritiker.
Auch Wainstock bedauert diese Haltung, »aber wir müssen damit leben«, so sein Motto. Er versucht weiter, insbesondere auf Jugendebene, Juden und Muslime zusammenzubringen, und jedenfalls was Aleviten und Türken betrifft, ist er damit auch erfolgreich. Und was ist mit den arabischen Muslimen? »Hier gibt es offenbar Berührungsängste«, gibt der Gemeindevorsitzende zu und beklagt, dass immer wieder Termine wegen angeblicher Kollisionen abgesagt und politische Themen offensiv ausgeklammert werden.
Auch im »Haus Abraham« engagieren sich nur Türken: »Die arabischen Muslime sind so indoktriniert, dass sie das nicht wollen«, sagt Tenné. Politische Themen stehen auch in »Klein-Jerusalem« nicht auf der Agenda. Das ist der Grund, warum so viele, auch von jüdischer Seite, den Dialog insgesamt infrage stellen. Würden wesentliche Themen ausgeklammert, bliebe das Gespräch an der Oberfläche, so lautet die noch harmlosere Form der Kritik aus den Gemeinden.
Eine strikte Gegnerin gegenwärtiger Trialog-Initiativen ist Edna Brocke, Leiterin der Alten Synagoge Essen. »All die hilflosen Initiativen der verschiedenen fachlich unqualifizierten Gutmenschen halte ich vor der sehr komplexen Geschichte und Gegenwart schlicht für sehr gefährlich«, sagt die Politikwissenschaftlerin und Judaistin. Eine klare Haltung, die sie unter anderem damit begründet, dass sowohl dem Christentum als auch dem Islam aufgrund ihres Missionsauftrag eine Gewaltbereitschaft innewohne, die eine wirkliche Annäherung und Verständigung verhindere. Brocke plädiert stattdessen für den religionswissenschaftlichen Austausch an staatlichen, sprich säkularen Universitäten und Instituten.
Der jüdisch-christlich-muslimische Trialog – ein multikultureller Small-Talk ohne Tiefgang und Profil? Auch Wainstock weiß, dass gemeinsame Gebete, Essen und Gespräche erst der Anfang sind. Doch er will weitermachen: »Steter Tropfen höhlt vielleicht den Stein.«