von Dina Kraft
Im Treppenaufgang war die Luft abgestanden und heiß. Die Betonstufen führten tief in die Erde hinab, wo im Luftschutzkeller eines Hauses im ärmsten Wohnbezirk Naharijas eine angenehme Kühle den Besucher überraschte. Eine glitzernde neue Klimaanlage bließ kühle Luft in den Raum und verschaffte den Bewohnern des Bunkers Erleichterung. Die Klimaanlage ist eine von 220, die Natan Golan und Hanan Chen, Gründer von Galila Development Foundation, in den ersten Tagen des Krieges in Luftschutzkellern einbauten. Das Paar lebt in der nordisraelischen Kleinstadt Kfar Vradim und hat Galila, eine basisorientierte Hilfsorganisation, vor sechs Monaten gegründet.
Seit Beginn der Kämpfe waren sie jeden Tag vor Ort, um einzuschätzen, wo es an elementaren Dingen mangelte. »Wir waren hier am Ersticken, die Luft war heiß und schwül«, sagt die 23jährige Maya Edri über das Leben im Bunker, bevor Galila die Klimaanlage einbaute. Edri gehört zu den 25 Menschen, die im Luftschutzkeller lebten. Sie ist im achten Monat schwanger »Wir hatten Angst, aber immerhin ließ es sich besser aushalten«, sagt Maya.
Galila hat auch die Bewohner des Nordens für einen Kurzurlaub in Jerusalemer Hotels untergebracht, wo ihnen Stadtführungen und kostenlose Mahlzeiten geboten wurden. Der erste Bus mit Einwohnern Naharijas wurde kurz nach Beginn der Kämpfe nach Jerusalem geschickt. Viele der im Norden verbliebenen Israelis gehörten zu den schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft – Neueinwanderer aus Äthiopien und der ehemaligen Sowjetunion, Senioren und Behinderte.
Im Ausland wurden zahlreiche Spendenaktionen für Sofortprogramme organisiert. Dabei kamen die Geldbeschaffungsmaßnahmen der großen Vereinigungen wie United Jewish Communities (UJC) und United Israel Appeal of Canada der Arbeit von Hilfsorganisationen wie dem American Jewish Joint Distribution Committee (JDC) und die Jewish Agency for Israel (JAFI) zugute.
Andere, wie das Jewish Funders Network, arbeiten daran, Spenden der JAFI, dem JDC und anderen privaten Stiftungen, die sich der Probleme vor Ort annehmen, zuzuführen. Das Netzwerk arbeitet mit seinen Stiftungsmitgliedern und informiert Spender, wo das Geld am dringendsten gebraucht wird. Bei vielen besteht ein großes Bedürfnis, einen Beitrag zu leisten, damit »die Probleme von Einwohnern so schnell wie möglich gelöst werden können«, sagt Mark Charendoff, Präsident der Stiftung in New York. Bislang hat sie 800.000 Dollar, deren Verwendungszweck von den Spendern festgelegt wird, in die Region überwiesen.
Ein Teil der Arbeit des JDC befaßt sich mit der Hilfe für Ältere. Zuständig dafür ist das Eshel-Programm, das mithilfe seiner Partnerorganisationen in Nordisrael etwa 5.000 Mahlzeiten pro Tag auslieferte und versuchte, betagte Menschen in Hotels im Landesinneren unterzubringen. Etwa ein Viertel der Betreuten sind Schoaüberlebende. 16.000 Kinder konnten an Tagesausflügen ins Landesinnere teilneh-
men. An Kinder in den Luftschutzkellern verteilte die Organisation Päckchen mit Spielzeug, Computerspielen und Bastelmaterial und suchte darüber hinaus über die Dachorganisation Israel Trauma Coalition nach Möglichkeiten für eine Traumatherapie. »Weil wir wußten, was gebraucht wurde, konnten wir gezielt helfen«, sagt Becky Caspi, Mitglied des Soforthilfe-Einsatzteams des JDC.
Auch JAFI koordinierte die Bemühungen, Kinder in Ferienlagern in der Mitte des Landes unterzubringen. Die Kosten dafür belaufen sich auf vier Millionen Dollar. Drei Millionen kamen von den UJC, eine Million hat ein israelischer Wohltäter beigesteuert, berichtet JAFI-Sprecher Michael Jankelowitz. Auch arabische und drusische Kinder wurden aus dem Norden in zwei JAFI-Camps verbracht. JAFI beteiligte sich auch an der Finanzierung von Klimaanlagen für öffentliche Luftschutzkeller und half äthiopischen Einwanderern in den nordisraelischen Aufnahmezentren, die Krise zu bewältigen, indem sie psychologische Beratung in Amharisch, der Nationalsprache Äthiopiens, anboten.
Traumatherapie ist ein dringendes Anliegen. Ruth Bar-On, Gründerin von Selah, dem Israel Crisis Management Center, konzentriert ihre Arbeit hauptsächlich auf zwei Gruppen: Menschen, die einen Verwandten oder Bekannten verloren haben und diejenigen, die für Miete, Lebensmittel und zusätzliche Arzneimittel kein Geld haben. Selah versuchte, zusätzliche Mittel aufzutreiben, um einen russischsprechenden Sozialarbeiter und einen Koordinator für die Freiwilligenarbeit einzustellen. »Es ist für uns sehr wichtig, daß wir uns in unserem Heim sicher fühlen können. Während der Krise erlebten wir, daß wir es nicht waren«, sagt Bar-On.
Natal, eine weitere Organisation, die Traumaberatung anbietet, will Menschen erreichen, die von Terrorismus und Krieg direkt betroffen sind. Die Gruppe schickte Berater in die Luftschutzkeller und beriet Führungskräfte über den Umgang mit verzweifelten Einwohnern. In normalen Zeiten erreichen Natal 4.000 Hilferufe im Jahr. In den vergangenen Wochen waren es 4.000 pro Woche. Um die psychischen Belastungen zu erleichtern schickte auch die Jerusalemer-Hadassah-Universität Kin-
derpsychiater und Ärzte, Sozialarbeiter und sogar Clowns zu Kindern und ihren Eltern in die Luftschutzkeller des Nordens.
Joseph Hyman ist Präsident des Zentrums für jüdisch-philanthropische Unternehmen, einer gemeinnützigen Organisation mit Hauptsitz in New York. Um potentielle Wohltäter über sinnvolle Spendenmöglichkeiten besser beraten zu können, versuchte er, sich ein Bild zu machen, was in Nordisrael am dringendsten benötigt wurde. »Es bringt nichts, auf frühere Kriege zurückzublicken, denn die Probleme ändern sich«, sagt Hyman. Der Schlüssel in einer Situation wie dieser sei Großzügigkeit, meint er. »Ich glaube, daß die Strukturen des organisierten amerikanischen Judentums flexibel sind und sich rasch angepaßt haben.«
Silas Libilya, Vizebürgermeister der arabisch-jüdischen Stadtbehörde von Ma’alot-Tarschiha, saß bis vor wenigen Tagen in der Einsatzzentrale im unterirdischen Luftschutzkeller der Stadtverwaltung. Er zählt auf, was bereits an Unterstützung seitens jüdischer Organisationen und Gemeinden hereinkam. »Wir spüren ihren Willen, zu helfen. Jeden Tag aufs Neue ist es ein gutes Gefühl gewesen, zu wissen, daß es Juden auf der Welt gibt«, sagt der Vizebürgermeister.