Wuchtig und so, als hätte sie schon immer dort gestanden, erhebt sich die Kölner Synagoge an der Roonstraße. Doch ist es erst 50 Jahre her, dass das Gebäude in seiner heutigen Gestalt am 20. September 1959 wieder eingeweiht und zum Herzstück der Synagogen-Gemeinde Köln wurde. Das blieb auch so, als um die Jahrtausendwende in der Ottostraße das Wohlfahrtszentrum eröffnet wurde. Vor vier Jahren erlangte das Haus Roonstraße für kurze Zeit weltweite Bekanntheit: Im August war mit Benedikt XVI. erstmals ein Papst zu Gast in einer deutschen Synagoge.
Ursprünge Ihre erste Einweihung erlebte die Synagoge in der Roonstraße bereits 1899. In der blühenden Kölner Gemeinde – eine der ältesten im Deutschen Reich – war sie das liberale Zentrum und bot als größtes jüdisches Gotteshaus in Köln rund 1.400 Menschen Platz. Im Unterschied etwa zur byzantinisch inspirierten konservativen Synagoge in der Glockengasse war sie im neoromanischen Stil erbaut worden. Ihre Architektur nahm damit den Stil der romanischen Kirchen Kölns auf und war ein Bekenntnis zur »kölschen Heimat«. Vor 1933 lebten hier etwa 15.000 Juden.
In der Reichspogromnacht 1938 wurde die Synagoge geschändet und schwer be-
schädigt. Im Februar 1945 war sie nur noch eine Ruine. Trotzdem fand dort schon kurz nach der Befreiung Kölns im April unter Leitung eines amerikanischen Feldrabbiners ein Gottesdienst statt. Ein erstes Domizil fand die neu gegründete Gemeinde dann aber erst einmal im ehemaligen »Israelitischen Asyl für Kranke und Altersschwache«. Kaum 80 Köpfe zählte sie, und niemand konnte sich vorstellen, dass das Gebäude in der Roonstraße je wieder ein Gotteshaus würde.
Einige Zeit verpachtete man das Grundstück mit der Perspektive, dass dort ein kulturelles Zentrum entstehen könnte. Doch was 1945 wohl niemand geglaubt hatte: Die Gemeinde wuchs, das Quartier in der Ottostraße wurde zu klein. 1957 beauftragte die Kölner Synagogen-Gemeinde Helmut Goldschmidt mit dem Wiederaufbau in der Roonstraße.
Wiederaufbau Vor allem Bundeskanzler Konrad Adenauer machte sich für den Synagogenbau stark. Später erinnerte sich der Architekt: »Da habe ich gesagt, ›Herr Bun-
deskanzler, wer soll denn das bezahlen?‹ Dann sagt er: ›Das lassen Sie mal meine Sorge sein.‹ ›Naja‹, habe ich gesagt. So war es dann auch, die Regierung hat das be-
zahlt, ohne zu fragen, was es kostet.«
Baumeister Adenauer war es auch, der auf dem Erhalt der alten Fassade bestand. Wäre es nach Helmut Goldschmidt gegangen, stünde heute in der Roonstraße 50 ein modernes, dem Bauhaus-Stil verpflichtetes Gebäude. Goldschmidt, der Auschwitz und Buchenwald überlebt hatte, begann schon bald nach dem Krieg, sich einen Namen als Architekt zu machen. Besonders am Herzen lagen ihm die jüdischen Gotteshäuser. So errichtete er zahlreiche Synagogen im Rheinland, wie etwa die jüdischen Gemeindehäuser in Bonn, Dortmund und Münster.
Hinter der alten historisierenden Fassade schuf Goldschmidt ein weitgehend neues Gebäude in der klaren Formensprache der 50er-Jahre. Durch eine eingezogene Zwischendecke hob er den Synagogenraum in den ersten Stock und verkleinerte ihn zugleich. Ihm vorgelagert ist eine Trauerhalle, gewidmet dem Gedenken an die 11.000 ermordeten Kölner Juden. Die Synagoge selbst schmücken zwei große, farbige Fensterrosetten.
Formfehler In der stark abstrahierenden Gestaltung sind auch die beiden Gesetzestafeln mit den zehn Geboten zu erkennen. Die Tatsache, dass ein christlicher Künstler die Fenster gestaltete, hat zu einem etwas unfreiwilligen interreligiösen Dialog geführt: Die Anzahl der Gebote auf jeder Tafel entspricht nicht der jüdischen Auffassung – fünf auf jeder Seite –, sondern der christlichen: auf der einen Seite drei, auf der anderen sieben.
Die Wiedereinweihung im September 1959 stieß bei den deutschen Medien auf größtes Interesse. Zum einen war es die erste wiederaufgebaute Synagoge in der Bundesrepublik, zum anderen war die Unterstützung durch Adenauer, der zu den Ehrengästen des Tages gehörte, äußerst medienwirksam. Für die rund 1.000 Ge-
meindemitglieder drückte sich in der Wie-
dereinweihung die Hoffnung aus, ein neues Kapitel aufschlagen und die Koffer auspacken zu können. Doch die Erinnerung an die jüngste Vergangenheit überschattete diesen Tag. Gemeinderabbiner Zvi Asaria sagte bei der Eröffnung: »Wie soll unser Herz jubeln? ... Es ist kein Tag für Jubel.«
hoffnung Doch: »Die Roonstraße« wurde zu einem Gemeindehaus voller Leben und Aktivitäten: Im großen Gemeindesaal wird nicht nur gemeinsam gefeiert, der zentrale Raum direkt unter der Synagoge ist auch der Treffpunkt vieler Klubs und Vereinigungen. Eine starke Fraktion bilden die jungen und jüngsten Gemeindemitglieder: Hier hat das Jugendzentrum »Jachad« ebenso sein Zuhause wie die Krabbelgruppe »Roonis«. Seit über 30 Jahren bietet die »Kantine Weiss« koschere Spezialitäten an. Die Einhaltung der Kaschrut könnte nicht besser gewährleistet sein: Das Rabbinat liegt nur einen Stockwerk entfernt. Das alles gruppiert sich um das Zentrum des Gebäudes, die große Synagoge.
Wann der runde Geburtstag gefeiert werden soll, steht noch nicht fest. Erst einmal kommen die Hohen Feiertage und die Synagoge wird wieder voll besetzt sein. Gerade wurden die letzten Jahreskarten verkauft: Mehr als die Hälfte der Sitzplätze sind für das kommende Jahr 5770 vergeben. Die optimistischen Wünsche von 1959 haben sich erfüllt. Seit 50 Jahren ist wieder Leben im Haus.