von Heide Sobotka
Der Bund der Vertriebenen möchte im niedersächsischen Oldenburg ein Denkmal für die Flüchtlingsopfer des Zweiten Weltkriegs errichten. 40.000 Vertriebene nahm die norddeutsche Stadt in den Jahren nach 1945 auf. Ihnen ein Denkmal zu errichten, ist weder bei der Stadt, bei der Einwohnerschaft noch bei der jüdischen Gemeinde umstritten. Die Frage ist nur, wo? Und hier scheiden sich bislang die Geister.
Der Vertriebenenbund hat in den vergangenen Jahren drei Vorschläge gemacht. Zwei davon sahen eine Gedenkstätte am Oldenburger Hauptbahnhof vor. Diese lehnten Historiker mit der Begründung ab, der Platz sei belastet, weil von hier aus Juden deportiert worden seien. Nach dem dritten Vorschlag sollte ein Denkmal in unmittelbarer Nähe des Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus, dem Gelände der ehemaligen Synagoge stehen. »Da haben wir uns zu Wort gemeldet, weil hier eine Verwechslung von Ursache und Wirkung stattfindet«, sagt die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg, Sara-Ruth Schumann. Schließlich sei die Judenverfolgung ein Akt der Nationalsozialisten gewesen, das Flüchtlingsdrama aber eine Kriegsfolge. »Wenn mir jetzt vorgeworfen wird, ich würde die vergewaltigten Frauen und die auf der Flucht verstorbenen Kinder nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann ist das als Argument konstruiert.« Es gehe hier nicht um Aufrechnung von Leid, betont Schumann. »Es geht darum, daß die unmittelbare Nähe der beiden Standorte geschichtlich etwas Falsches vermittelt.« Denn der Schweigemarsch am 9. November führe nach diesem Vorschlag an beiden Gedenkstätten vorbei. Da bestehe die Gefahr, daß schon bald nur noch einmal der Opfer gedacht werde. »Das geht nicht«, sagt Schumann. »Wir müssen auch den nächsten Generationen Sinn und Gehalt von Denkmälern vermitteln können.«
Der jüdischen Gemeinde vorzuwerfen, sie wolle das Vertriebenenmahnmal verhindern, empfindet sie als im höchsten Maße unfair. »Wir werden hier instrumentalisiert. Wir haben auch nicht darüber zu entscheiden, ob es ein Mahnmal für die Vertriebenen gibt und wo. Das ist eine poli- tische Entscheidung, die muß der Rat der Stadt treffen. Aber wir haben das Recht, zu sagen: ›Hier fühlen wir uns verletzt.‹«
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland teilt die Bedenken von Sara-Ruth Schumann. »Ohne Frage ist der Anspruch zu bejahen, des Leids der Vertriebenen und der unzähligen anderen deut- schen Opfer des Zweiten Weltkrieges angemessen zu gedenken «, schreibt der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer, an den Oldenburger Oberbürgermeister Dietmar Schütz (SPD). Allerdings müsse dies in einer Form geschehen, daß nicht Opfergruppen in Waagschalenmentalität miteinander abgewogen werden. Kramer bat den Oberbürgermeister, Schumanns Bedenken ernst zu nehmen.
Fürs erste scheint jetzt der vorgeschlagene Standort nahe des jüdischen Denkmals vom Tisch. In seiner Sitzung am 21. März hat sich der Kulturausschuß der 150.000-Einwohnerstadt gegen die bislang entwickelten Ideen ausgesprochen und eine künstlerische Ausschreibung vorgeschlagen. Im April wird weiterverhandelt.