von Sabine Brandes
Sie möchten Ihre Freunde in der Stadt Kfar Saba besuchen? Verlassen Sie sich besser nicht auf die Ausschilderung am Straßenrand. Es könnte sein, dass Ihr Abend, geplant mit leckerem Essen und gutem Wein, zur Irrfahrt durchs ganze Land wird. Oder haben Sie schon einmal etwas von Qafr Seva gehört? So steht es auf einem großen Schild an der Schnellstraße. Und gemeint ist damit kein anderer Ort als Kfar Saba selbst.
Jetzt soll ein neues Gesetz dem Fehlerteufel ein für allemal den Garaus machen. Mit exakten Beschreibungen für die hebräische, englische und arabische Schreibweise sollen die Schilder vereinheitlicht werden. Die Ha-Ir-Straße, die 50 Meter weiter als Ha’eer-Straße nur noch für Menschen mit ausgeprägter Fantasie als dieselbe zu erkennen ist, soll demnach entweder Ha’ir oder Ha’eer heißen. Ausgesprochen wird sie übrigens Ha’Ir – die Stadt.
Der Gesetzesentwurf, den eine Gruppe von 30 Parlamentariern im Sommer dieses Jahres eingereicht hatte, ist kürzlich nach der dritten Lesung der Knesset einstimmig angenommen worden. Angeführt wurde das Komitee von Amnon Cohen, Mitglied der Schass-Partei. Zur Begründung führte der Politiker an, dass die Fehler in der Beschilderung Israelis wie Touristen gleichermaßen in die Irre führten, und dass das letztendlich teuer zu stehen komme.
»Als ich mit Besuchern durchs Land gefahren bin, habe ich plötzlich immer mehr Schilder gesehen, auf denen die Ortsnamen auf völlig verschiedene Arten geschrieben sind«, sagte Cohen. »Die Menschen sehen dieselbe Bezeichnung in zig verschiedenen Schreibweisen, zum Teil innerhalb von wenigen hundert Metern, das ist doch absurd.« So geht es mit Massada, Mezada oder Metzada. Und auch mit Eilath, Elat oder Eilat.
Zuständig für die Kennzeichnung der Orte und Straßen sind das nationale Straßenunternehmen, die Verwaltungen der Ajalon-Schnellstraße sowie der Autobahn Nummer sechs und lokale Behörden. Jede dieser Einrichtungen schreibt und übersetzt wie es ihr gerade gefällt – einheitliche Richtlinien existieren nicht.
Das neue Gesetz sieht vor, dass zukünftig nur noch eine Behörde zuständig ist. Der Transportminister muss dann die entsprechende Schreibweise dem Wirtschaftskomitee der Knesset vorlegen, das diese gemeinsam mit der Akademie für die Hebräische Sprache prüft. Alle neuen Wegweiser müssen entsprechend der neuen Regeln gedruckt werden, die existierenden sollen innerhalb der kommenden fünf Jahre ausgetauscht werden.
Was auf den ersten Blick als witzig erscheint, kann zu einem ausgewachsenen Problem werden, bei dem das Schmunzeln schnell einem ärgerlichen Grollen weicht. Nehmen wir an, Sie sind zum ersten Mal in Israel. Vom Flughafen Ben-Gurion möchten Sie zum See Genezareth. Damit Sie Ihr Reiseziel schnell und bequem erreichen und sich bald in der Sonne aalen können, haben Sie einen Wagen gemietet und vorher geschaut, wie der See auf Englisch heißt. Denn, so wissen Sie, sämtliche Schilder im Heiligen Land sind mit angelsächsischer Übersetzung – natürlich nicht in hebräischen, sondern in lateinischen Lettern – versehen. Also halten Sie Ausschau nach dem »Sea of Galilee«. Sie können lange suchen. Der See Genezareth heißt im Hebräischen Kinneret. Und so ist er auch ausgeschildert. Meistens jedenfalls. Manchmal steht »Yam Kinneret« oder »Galiley Sea« geschrieben.
Auch die Suche nach dem Bahnhof kann zur echten Geduldsprobe werden. Normalerweise würde man nach »Train Station« schauen oder wenigstens nach einem simplen »Train«. Nicht selten jedoch verweist lediglich ein »Rakevet« auf das immer beliebter werdende Verkehrsmittel. Und das nicht in einem Dorf im Hinterland, sondern mitten in der Metropole Tel Aviv.
Vielleicht dachten sich die Schildermacher nichts dabei, als sie das hebräische Wort für Bahnhof einfach in lateinischen Buchstaben druckten. Oder sie wollten dem Besucher ein wenig Kurzweil verschaffen, indem sie zur Schnitzeljagd auf Israelisch einladen.
Auch die lokalen Behörden würden nicht selten durch den Orthografie-Test fallen. Dicke Patzer auf Schildern machen nicht einmal vor Berühmtheiten Halt: Der ehrenwerte erste Bürgermeister von Tel Aviv wird an der nach ihm benannten Straße korrekterweise Meir Dizengoff geschrieben, nur einen Steinwurf entfernt steht: Mair Dizengof. Richtig peinlich findet das Schachar Baron, die auf der großen Prachtstraße in einer Boutique arbeitet. »Was sollen Besucher denn denken, wenn Sie das lesen. Etwa dass Israelis nicht richtig schreiben können?«
Einer der Hauptgründe für das Verwirrspiel ist die Transliteration. Dabei wird das Wort von der einen Buchstabenschrift in die andere übertragen. Der Code hierfür stammt von der Akademie der Hebräischen Sprache aus dem Jahr 1957. Vier Jahre zuvor hatte das Team aus Sprachwissenschaftlern das System entwickelt, mithilfe dessen jeder einzelne Buchstabe übersetzt wird. Verbindlich ist es nicht, viele Behörden halten sich dennoch akribisch daran. Wie die Verwaltung einer hübschen kleinen Stadt am Mittelmeer. Ihr Namensgeber – Theodor Herzl – war nicht nur zionistischer Vordenker, sondern als Journalist und Buchautor auch Meister der Sprache. Was er wohl zu dem Wortungetüm »Herzliyya« sagen würde?