von Carl D. Goerdeler
Im Alter von 85 Jahren ist am vergangenen Freitag Hans Stern, der Gründer des weltumspannenden Juwelier-Imperiums H. Stern, in Rio de Janeiro gestorben. Der Erfolg des Unternehmers war ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Hans Stern war am 1. Oktober 1922 in Essen blind auf die Welt gekommen; erst eine Operation öffnete ihm die Augen. Der Nazi-Terror vernichtete jede Hoffnung der jüdischen Familie auf eine ruhige bürgerliche Existenz. Mit ein paar Habseligkeiten konnten die Eltern und der Junge gerade noch fliehen. Hans Stern wurde mit 16 Jahren an die Copacabana gespült. Als Gehilfe in einem Handelskontor musste er sein erstes Geld verdienen; ein paar Jahre später verkaufte er sein geliebtes Akkordeon, um ein eigenes Juweliergeschäft zu gründen.
Heute beherrscht das Familienunternehmen H. Stern mit 160 Läden in zwölf Ländern den Weltmarkt für Edelsteine. Rund die Hälfte aller Farbsteine gehen durch seine Hand, und ebenso groß ist sein Anteil an allen Funden in Brasilien. Noch bis ins hohe Alter besuchte er die Minen in Bahia und Minas Gerais. Von seinem bescheidenen Büro im 13. Stock in Ipanema, Rio de Janeiro, führte der Firmengründer sein Imperium mit rund 4.000 Angestellten und einem Schatz von mindestens 300.000 Edelsteinen. Der Umsatz des Unternehmens dürfte bei beinahe einer Milliarde Dollar im Jahr liegen.
Hans Stern, der Patriarch, der bis zuletzt noch jeden Morgen pünktlichst um 8.30 Uhr zur Stelle war, liebte nicht das große Tamtam: Das überließ er Holywood-Größen, die seinen Schmuck bei großen Gala-Veranstaltungen trugen. Er war die Diskretion und Bescheidenheit in Person. Weder seine Frau Ruth noch er selber fielen durch dicke Ringe oder Ketten auf. Und er war ein großer Mäzen der klassischen Musik in Brasilien. Außerdem war er ein Büchernarr. Noch in seinen letzten Tagen schmökerte er in Five Germanys I have known des Historikers, aber nicht verwandten Namensvetters Fritz Stern.
Hans Stern hat am Weltgeschehen stets regen Anteil genommen. Gegen Deutschland hegte er trotz der braunen Vergangenheit keinen Groll – erst jüngst eröffnete er persönlich eine Filiale in Hamburg. Zwei seiner vier Söhne werden im Unternehmen weiter eine wichtige Rolle spielen – aber die Führung liegt nicht mehr allein in der Familie. Die Marke und der Name H. Stern dürften aber noch auf viele Jahre hinaus im Schmuckgeschäft Qualitätsmaßstäbe setzen.