von Gabriele Sümer
In der Dortmunder Synagoge wird kräftig gearbeitet. Die Wände bekommen einen frischen Anstrich, die Sitzbänke werden aufgepolstert, der Fußbodenbelag wird erneuert. Die Gemeinde putzt sich für die hohen Feiertage heraus, so scheint es. Doch Rabbiner Avichai Apel winkt ab. »Eigentlich handelt es sich um ganz normale Renovierungsarbeiten, die längst überfällig waren.« Und gibt dann doch zu: Natürlich hoffe die Gemeinde, rechtzeitig vor Rosch Haschana mit der Verschönerung der Synagogenräume fertig zu sein. Schließlich sei deren unansehnlicher Zustand bei den Feiertagen im vorigen Jahr besonders unangenehm ins Auge gefallen.
Wenn auch nicht in allen Synagogen gleich zu Pinsel und Farbeimer gegriffen wird, so bereiten sich auch andernorts die Gemeinden auf die Feiertage vor. Inhaltlich passiert das vor allem bei den verschiedenen Unterrichtsangeboten. Hier geht es schwerpunktmäßig um Rosch Haschana, Jom Kippur und die übrigen Feiertage.
In Kassel wurde damit schon im Ferienprogramm, das die Gemeinde Mitte Juli erstmals angeboten hatte, begonnen. Eine Woche lang beschäftigten sich Kinder und Jugendliche mit der Tora und immer wieder mit den jüdischen Festen. »Jetzt wollen wir sie bei der Stange halten«, sagt Gemeindevorsitzende Esther Haß. So werde am nächsten Schabbat ein Lerngottesdienst für die jüngsten Gemeindemitglieder abgehalten, mit anschließender Toralesung für die Erwachsenen.
Auch praktische Dinge müssen noch erledigt werden. Die Gemeinden stocken ihre Vorräte an Fisch und Fleisch, Obst und Gemüse auf. In Dortmund verkauft der koschere Laden Honigkuchen, Wein und gefüllten Fisch zu Sonderpreisen, in Köln organisiert die Gemeinde zwei Tage vor Rosch Haschana eine Busfahrt nach Antwerpen, wo sich die Teilnehmer mit koscheren Lebensmitteln für das Festmahl zu Hause eindecken können. Ebenfalls in Köln ist ein Informationsabend geplant, bei dem Nurith Teitelbaum über das Kochen zu Rosch Haschana spricht.
In den mitgliederstarken Gemeinden beginnt in diesen Tagen die Vergabe der festen Synagogenplätze. So sind Karten für die Baumweg- und die Westend-Synagoge in Frankfurt am Main seit mehr als drei Wochen zu haben. Die Nachfrage nach den gut 1.000 Plätzen sei »wie immer stürmisch« gewesen, berichtet Stefan Szajak, Direktor der Gemeinde. Verhaltener ist der Verkauf in Düsseldorf angelaufen. Erfahrungsgemäß würden sich die meisten Interessenten erst ein bis zwei Wochen vor den Festtagen melden, heißt es im Sekretariat. In Köln können die 500 Platzkarten ab dem 20. August bestellt werden. »Mit der entsprechenden Veröffentlichung in unserem Gemeindeblatt gehen die Feiertagsvorbereitungen in die heiße Phase«, erzählt Geschäftsführer Benzion Wieber. »Dann können auch die Glückwunschkarten für Rosch Haschana bei uns erworben werden.«
Da zahlreiche zusätzliche Gottesdienste stattfinden sollen, verstärken sich viele Gemeinden mit Gast-Rabbinern und -Vorbetern. Die Erfurter Gemeinde etwa lädt wie schon in den Vorjahren einen Rabbiner aus Israel ein. »Einen eigenen, ständigen Rabbi können wir uns nicht leisten«, erläutert Vorstandsvorsitzender Wolfgang Nossen. Auch Yitzhak Hoenig, Kantor in Düsseldorf, betont: »Ich kann das unmöglich alles allein schaffen, da brauche ich Hilfe.« Die Unterstützung kommt entweder aus Gemeinden in Israel beziehungsweise den USA oder in Gestalt freiberuflicher Kollegen aus dem Inland.
Oldenburg dagegen setzt Frauen und Männer aus der eigenen Gemeinde als Vorbeter ein. »Wir versuchen, den Gottesdienst so zu gestalten, dass möglichst viele unserer Mitglieder daran beteiligt sind«, sagt die Vorsitzende Sara-Ruth Schumann. »Die Vorbeterinnen und Vorbeter haben ihre Texte bereits erhalten, und der Chor übt ebenfalls kräftig«, erzählt sie.
Die Feiertage werden auch zum Anlass genommen, um an die Hilfsbedürftigen zu denken. In Düsseldorf beispielsweise wird der Kinderchor einen Vormittag lang im gemeindeeigenen Altenheim, dem Nelly-Sachs-Haus, auftreten. In Dortmund macht die Gruppe Bikur Cholim, die sich um kranke und ältere Menschen kümmert, in den kommenden Wochen besonders viele Hausbesuche – mit Leckereien im Gepäck.
Noch ein wenig Zeit ist es bis zum Laubhüttenfest, wenn in vielen Gemeinden eine Sukka errichtet werden soll. Während für den Aufbau der Wände die Erwachsenen zuständig sind – in Oldenburg etwa haben diese Aufgabe der Schachclub und der Seniorenclub der Gemeinde übernommen – dürfen die Kinder die Sukka schmücken.
Der Herausforderung, der Hütte ein Dach aus natürlichen Materialien zu geben, stellen sich die Gemeinden sehr unterschiedlich. Die Erfurter und die Oldenburger verwenden Laub aus dem Gemeindegarten. In Kassel liefert die örtliche Friedhofsverwaltung, die von der evangelischen Kirche getragen wird, wenige Tage vor Sukkot Zweige an. »Die müssen sowieso schneiden und fragen uns vorher, ob wir eine oder zwei Schubkarren mit Grünschnitt brauchen«, sagt die Vorsitzende Esther Haß.
Die neue Sukka in Düsseldorf, die erst zum zweiten Mal zum Einsatz kommt, hat ein Dach aus Schilfrohrmatten. Mit sechs mal zwölf Metern Grundfläche ist sie besonders groß. Beim gemeinsamen Essen im vergangenen Jahr fanden nicht weniger als 110 Gemeindemitglieder Platz. »Wir rechnen auch diesmal wieder mit einem ähnlichen Andrang«, erklärt Kantor Hoenig. Die Größe der Hütte stellt die Verantwortlichen allerdings vor eine schwierige Aufgabe: Um die Sukka zwischen den Segenssprüchen vor Regen schützen zu können, ist ein festes Dach nötig, das schnell auf- und abgebaut werden kann. Ein Holzdach, wie es früher verwendet wurde, scheidet aus. »Das wäre bei dieser Fläche zu schwer«, sagt Hoenig. Doch die Gemeinde hat eine Lösung gefunden – eine Holzkonstruktion, über der eine Spezialplane aus Kunststoff ausgerollt wird. »Man wirft den Juden oft vor, sie würden nicht nach vorne blicken«, schmunzelt der Kantor. »Da sieht man mal, wie modern wir sein können.«