von Robert Kappel
Israel gehört heute zu den reichsten Ländern des Nahen Ostens, verfügt aber nicht wie die Erdölländer über Rohstoffe. Stattdessen wurde eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur aufgebaut. Trotz zahlreicher Kriege und Konflikte hat Israel ein vergleichsweise hohes Wirtschaftswachstum realisieren können, das wegen globaler Entwicklungen von rund 5 Prozent in den letzten Jahren 2008 auf voraussichtlich 3,7 Prozent zurückgehen wird.
Israels durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen betrug 2005 circa 23.400 US-Dollar. Damit liegt Israel nur knapp unter dem Durchschnitt der EU (circa 26.900 US-Dollar) und zugleich mit einem mehr als doppelt so hohen Einkommen wie Tunesien weit vor den nordafrikanischen Staaten und den Ländern des Nahen Ostens. Daher zählt Israel inzwischen zu den höchstentwickelten Ländern der Welt (Rang 23 im Human Development Report 2007/2008).
Die Entwicklung Israels ist wesentlich bestimmt von der konsistenten Wirtschaftspolitik, der Entwicklung der Außenhandelsposition, von Auslandsdirektinvestitionen, der Zuwanderung hochqualifizier- ter Arbeitskräfte und den Forschungsanstrengungen des Landes. Als die wichtigsten internen strukturellen Probleme sind die demografische Entwicklung und die Alterung der Gesellschaft zu nennen.
Israel wies in den letzten Jahren eine sehr niedrige Inflationsrate auf, weil die Regierung eine strikte Sparpolitik mit einer Reduzierung der Staatsverschuldung verbunden hat. Die gegenwärtig noch hohe Auslandsverschuldung in Höhe von 58,5 Milliarden US-Dollar und die deshalb erforderlichen Schuldenrückzahlungen behindern die wirtschaftspolitischen Spielräume der Regierung. Zur Erfolgsgeschichte Israels gehört vor allem die Verbesserung seiner Position im internationalen Außenhandel. Durch die Freigabe des Wechselkurses hat Israel seine Währung im Gleichgewicht halten können. Zusätzlich wurde die Lage durch die Privatisierung des Bankensektors verbessert, der in den 90er-Jahren noch stark von öffentlichen Banken dominiert war. Damit konnte Israel zusätzliche Investitionen anziehen.
Die Regierung begann bereits unter Premierminister Levi Eshkol Ende der 60er-Jahre, das Land durch verbesserte Ausbildung der Arbeitskräfte, Investitionen in Forschung und Entwicklung, eine flexible Währung und staatliche Anreizsysteme zu öffnen. Als kleines Land setzte Israel auf Handelsöffnung und industrielle Wettbewerbsfähigkeit. War Israel bis in die 70er-Jahre eine Ökonomie, die sich auf landwirtschaftliche Produkte und auf die Textilin- dustrie konzentrierte, begann die Regierung innerhalb kürzester Zeit, durch industriepolitische Maßnahmen eine Hightech-Industrie aufzubauen, die sich internatio- nal zu etablieren begann. Seit dem Freihandelsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft (1975) hat sich die Wirtschaft auf den Export und die zunehmende Verbindung mit Europa ausgerichtet. Das Friedensabkommen mit Ägypten nach dem Ende des Oktoberkrieges 1973 verschaffte der Regierung Finanzierungsspielraum, da der Anteil der Verteidigungsausgaben an den Gesamtausgaben von 35 Prozent (70er-Jahre) auf unter 10 Prozent (2007) zurückgefahren werden konnte.
Israel hat seit den 90er-Jahren den Durchbruch zu einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft geschafft. Heute misst sich Israel mit den OECD-Ländern und hat auch dorthin seine wichtigsten Außenhandelsbeziehungen. (Rund 75 Prozent der Exporte gehen nach Nordamerika und Europa, lediglich 15 Prozent nach Asien.) Insgesamt betrug der Export 2007 circa 49,3 Milliarden US-Dollar. Die durchschnittlichen Wachstumsraten des Exports lagen von 2000 bis 2007 bei knapp zehn Prozent.
Hohe Wachstumsraten verzeichnet der Handel – und hier auch mit technologisch hochwertigen Fertigwaren – mit Asien, vor allem China, Indien und Japan. Dagegen wächst der Handel mit den Nachbarländern kaum. In den letzten Jahren haben sich die Handelsbeziehungen zwischen Israel, Jordanien und Ägypten dennoch vertieft, auch durch das Engagement israelischer Investoren in sogenannten Qualified Industrial Zones (QIZ). Dessen Grundlage ist das Partnerschaftsabkommen zwi- schen den USA, Ägypten, Jordanien und Israel, das es Jordanien und Ägypten ermöglicht, zollfrei in die USA zu exportieren, wenn die dort hergestellten Güter einen israelischen Produktionsanteil haben. In Jordanien und Ägypten produzieren israelische Unternehmen in den QIZ vorrangig Textilien und verschaffen sich durch dieses Engagement Lohnkostenvorteile und zugleich den freien Zugang zum amerikanischen Markt. Nach Angaben des Israel Export and International Cooperation Institute sollen in Ägypten etwa 260 und in Jordanien ungefähr 1.200 israelische Unternehmen tätig sein. In Ägypten wurden durch die QIZ etwa 15.000 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Dennoch wird Israels Wirtschaftsmacht in den Nachbarländern als zu stark eingeschätzt. Eine schrittweise Liberalisierung der Handelsbeziehungen wurde von diesen deshalb nicht nur aus politischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt. Diese Abschottung führte zu einem abgeschwächten Wirtschaftswachstum für beide Seiten. Aufgrund seiner Isolierung im Nahen Osten und seines grundlegenden Wandels hat Israel die Nachbarschaftsbeziehungen zu Europa vertieft. Im Nahen Osten pflegt das Land gegenwärtig lediglich intensive Beziehungen zur Türkei. Israel befindet sich auf dem Weg, OECD-Mitglied zu werden.
Der Autor ist Präsident des German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg.