Wie in vielen anderen europäischen Ländern war auch in der Schweiz der Libanon-Krieg ein Schleusenöffner für Judenhasser. So stand vergangenen Sommer in einer E-Mail an den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG): »Hoffentlich werden alle Israelis bald ausgerottet.« Dass solche Hass-Briefe oft auch Na- me und Adresse des Absenders enthalten, sei für die Schweiz ein eher neues Phänomen, sagt SIG-Vizepräsident Josef Bollag.
Von September 2005 bis Dezember 2006 notierte die Melde- und Beratungsstelle des Gemeindebundes 73 antisemitische Vorfälle in der Schweiz. Dies entspricht einer Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr. Knapp 60 Prozent der Vorfälle richteten sich gegen jüdische Institutionen. Zur Zielscheibe wurden dabei nicht nur Gemeindehäuser in großen Städten, sondern auch in Orten, in denen es nur kleine jüdische Gemeinden gibt. So wurde etwa in der zweisprachigen Stadt Biel im Kanton Bern die Synagoge mit Schmierereien verunstaltet.
Der Anstieg sei beunruhigend, sagt Josef Bollag. Die vorgelegte Bilanz ist allerdings keine systematische Erfassung antisemitischer Vorfälle zwischen Boden- und Genfer See, sondern nur eine Statistik der Meldungen Betroffener. Samuel Althof, Sprecher der Aktion Kinder des Holocaust (AKdH), möchte deshalb nicht unbedingt von einem generellen Anstieg des Antisemitismus in der Schweiz sprechen. »Es kann auch einfach sein, dass die Meldestelle bekannter geworden ist.«
Für eine systematische Erfassung antisemitischer Vorfälle, wie sie die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus fordert, fehle das Geld, sagen die Behörden in Bern. Hier will der SIG nun Druck ausüben.
Nicht erforscht wurde, wie sehr die Bemühungen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) von Bundesrat Christoph Blocher, das geltende Anti-Rassismus-Gesetz zu kippen oder zumindest abzuschwächen, Rassisten und Antisemiten in der Schweiz ermuntert hat. Aber über dieses heiße Thema wird vermutlich noch viel gesprochen. Denn im Herbst sind Wahlen in der Schweiz. Peter Bollag
Schweizer Antisemiten