von Marina Maisel
und Miryam Gümbel
Beim Arztbesuch dolmetschen oder helfen, wenn Formulare für diverse Ämter auszufüllen sind. Eine kleine Reparatur im Haus- halt erledigen oder einfach jemanden besuchen, der allein lebt. Es sind viele und vielfältige Aufgaben, die unermüdlich von freiwilligen Helfern der Sozialabteilung IKG München geleistet werden. Und für die etwa 160 Freiwilligen sind es immer auch wichtige Einsätze, die sie ernst nehmen. Wer Begleitung benötigt, mit dem gehen die Helfer in die Synagoge ebenso wie zu Vorträgen oder Konzerten. All das tun sie unentgeltlich in ihrer Freizeit.
Rimma Semenova, eine ehemalige Mitarbeiterin der Integrationsabteilung, hat diese Arbeit vor fünf Jahren ins Leben gerufen. Heute leiten Vera Eder und Tatjana Makhova dieses Projekt und sie koordinieren gemeinsam alle ehrenamtlichen Engagements in der IKG. Gerade für neue Zuwanderer, die in die Integrationsabteilung kommen, bieten die unbezahlten Mitarbeiter ihre Hilfe in einem Maß an, das weit über das hinaus geht, was erwartet werden kann. Olga Albrandt, die Leiterin der Sozialabteilung, sagt: »Ohne dieses Engagement wäre unsere Arbeit nicht in dieser Weise und in diesem Umfang zu leisten. Unser Dank gilt aber auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem Europäischen Flüchtlingsfonds für deren Zuwendungen zur Realisierung der Projekte.«
Die »Ehrenamtlichen« kommen aus allen Berufsgruppen: Ärzte und Musiker, Programmierer und Dolmetscher. Manche sind schon Rentner und haben viel Freizeit. Andere engagieren sich neben ihrem Beruf. So besuchen die Freiwilligen oft das jüdische Altenheim, um mit den Bewohnern einfach mal eine kleine Runde spazieren zu gehen. Ärzte, die gut deutsch sprechen können, begleiten Patienten, die auf kompetente sprachliche Erklärungen angewiesen sind, in Krankenhäuser und Arztpraxen.
Als ein Ergebnis dieser nützlichen und tatsächlich notwendigen Arbeit sind in der Gemeinde mehrere »warme Häuser« entstanden. Gemeint sind damit Wohnungen, in denen sich Menschen treffen, die sich gegenseitig unterstützen können. Sie trinken zusammen Tee, unterhalten sich, hören Musik oder besprechen aktuelle Themen. Ein erstes »warmes Haus« befindet sich in der Wohnung der neunundachtzigjährigen Asya Bochever. Die ehemalige Kinderärztin hatte sich allein und einsam gefühlt. Ihre Tochter bemerkte das und suchte in einem Telefongespräch bei Rimma Semenova Rat und Hilfe. »Meine Mutter hat hier alles, außer Freunden«, erklärte die Tochter, Anna. »Gibt es denn niemanden, der meine Mutter besuchen und sich mit ihr einfach unterhalten kann?« Die gab und gibt es. Inzwischen treffen sie sich regelmäßig in diesem warmen Haus und helfen sich gegenseitig. Es wird Musik gehört, Filme werden angeschaut, über Politik und Gesundheit gesprochen und gemeinsam Feste gefeiert. Im März 2008 beging das warme Haus bei Asya Bochever sein vierjähriges Bestehen und die Hausherrin fühlt sich heute ganz anderes. »Wir sind hier alle gute Freunde geworden, wie eine Familie«, freut sich Asya Bochever.
Das Beispiel hat Schule gemacht. Unter dem Motto »Helfen macht Freude« ist eine breite Palette sozialen Engagements bei der Sozialabteilung der Israelitischen Kultusgemeinde entstanden. Es gibt eine Gesundheitsuniversität, auch eine Hotline ist entstanden, ein Vertrauenstelefon, über das Psychologen notwendige Hilfe leisten. »Und das soll sichtbar für alle sein«, sagt Olga Albrandt. Deshalb findet am Dienstag, 16. September, von 18 bis 21 Uhr im kleinen Saal im Gemeindezentrum am Jakobsplatz ein Tag der offenen Tür statt. An zahlreichen Informationsständen können sich interessierte Besucher über die Vielfalt der ehrenamtlichen Arbeit informieren.
Die Gesellschaft und die IKG brauchen dieses ehrenamtliche Engagement. Eine Anerkennung, die bis heute als etwas Besonderes in der Erinnerung der Helfer ist, waren die Worte, die Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in der Gemeinde im Frühjahr an sie alle richtete.
Und doch bleiben noch Wünsche offen: Auch Jüngere sollten mitmachen mit Anregungen, Energie und und vor allem Tatkraft. Vera Eder und Tatjana Makhova sind sich einig: »Es fehlt uns noch eine umfassende Kommunikation mit deutschen Gesprächspartnern. Die Folge davon: fehlende Sprachkenntnis, vielleicht das Gefühl, nicht vollständig dazuzugehören. Ohne Hilfe schaffen wir das nicht.«