Kosaken

Helden des Pogroms

von Vladimir Matveyev

Vielleicht wird in einer ukrainischen Kleinstadt demnächst ein Denkmal aufgestellt, das zwei Männern gewidmet ist, die für viele Ukrainer Volkshelden sind. Deren organisierter Aufstand hatte jedoch auch zur massenhaften Ermordung von Juden geführt.
Die Stadt Uman prüft, ob den beiden Kosakenhauptleuten Iwan Gonta und Maksim Zaliznyak, Anführern des antipolnischen Aufstands im 18. Jahrhundert, der zu einem Massaker an 20.000 Juden und Polen führte, ein Denkmal errichtet werden soll. Verschärft wird die Kontroverse über das vorgeschlagene Denkmal durch die Tatsache, daß jedes Jahr tausende gläubige orthodoxe Juden nach Uman pilgern, weil sich im Ort das Grab von Rabbi Nachman, eines der größten chassidischen Rabbiner, befindet.
»Jede Nation wählt sich die Helden, die sie als ihrer würdig erachtet«, sagt Igor Kuperberg, jüdischer Funktionär in Kiew. »In dieser Tendenz spiegelt sich die Anschauung eines Teils der ukrainischen Elite. Doch die Gefahr besteht, daß dadurch der Antisemitismus im Land ansteigt.«
Die Idee eines Denkmals für die zwei Bauernführer ist in der Ukraine nicht neu, aber unter dem Kommunismus war es unmöglich, ein Denkmal für die Anstifter des von Historikern so bezeichneten Massakers von Uman zu errichten. In der postsowjetischen Ukraine jedoch befürworten mehrere nationalistische Gruppen den Bau des Denkmals, das im Sofia-Park, dem Wahrzeichen Umans, stehen soll.
Zu den Unterstützern gehören die Ukrainische Konservative Partei und ihr Vorsitzender Georgy Schokin, der auch Präsident von MAUP ist, einer privaten Universität in Kiew, deren Leiter für ihre antizionistischen und antisemitischen Aktivitäten bekannt sind. Anfang dieses Monats besuchte Schokin Uman und sprach mit den Vertretern der Stadtverwaltung über das Denkmal. Danach reichte er das geplante Projekt zwecks Genehmigung beim zuständigen Ausschuß für die ukrainischen Nationalparks ein.
»Iwan Gonta und Maksim Zaliznyak nehmen in der Geschichte der National- und Befreiungsbewegung einen verdienstvollen Platz ein, und sie sind des ewigen Angedenkens durch das Volk würdig«, sagte Schokin laut der MAUP-Zeitschrift Personal Plus in einer im vergangenen Monat gehaltenen Rede in Uman.
Jüdische Aktivisten sind anderer Meinung. »Diese Kosaken waren keine Helden, das Denkmal darf nicht gebaut werden«, meint Michail Frenkel, Vorsitzender der Vereinigung Jüdischer Massenmedien in der Ukraine.
Er weist die Schuld einer Gruppe um den ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko zu, die die Idee propagiere, die Ukraine müsse »ihrer Größe gerecht werden«, indem sie diejenigen ehrt, die viele im Land für einen glorreichen Teil ihrer Geschichte betrachten.
Der Leiter von MAUP kann seinerseits kein Problem erkennen. »Die Aufständischen verwüsteten die Landsitze von Russen, Polen und Itzigs und töteten ihre Besitzer. Sie sahen sich als Herren ihres eigenen Landes«, sagt Schokin laut der Zeitschrift seiner Schule.
Uman ist ein Zentrum der verarbeitenden Industrie mit etwa 95.000 Einwohnern. Jedes Jahr erlebt es um Rosch Haschana und Purim einen Ansturm von Tausenden chassidischen Pilgern aus aller Welt, die die letzte Ruhestätte ihres verehrten Rebben besuchen. Im letzten Herbst statteten etwa 12.000 Menschen dem Grab von Rabbi Nachman, der 1810 in Uman starb, einen Besuch ab. In Uman leben heute rund 500 Juden, und viele von ihnen, genau wie Hunderte Nichtjuden, verdienen ihren Lebensunterhalt damit, die Pilger zu versorgen.
Die Rolle, die die Juden heute im Wirtschaftsleben der Stadt ausüben, könnte den Ausschlag geben, daß die städtischen Behörden ihr endgültiges Ja zu dem umstrittenen Denkmal noch einmal überdenken. »Wir müssen in Betracht ziehen, daß im Laufe eines Jahres mehr als 30.000 Juden Uman besuchen und wir mit zwei polnischen Städten direkte Kontakte haben«, sagt Svetlana Lipinska, Beraterin des Bürgermeisters von Uman. »Das macht die Situation kompliziert.«

Debatte

Schweden stoppt Unterstützung von UNRWA

Hintergrund des Schrittes ist die Entscheidung Israels, der UNRWA wegen ihrer Verwirklichung in den palästinensischen Terror jegliche Tätigkeit auf israelischem Territorium zu untersagen

 20.12.2024

Kunst

Leitung der documenta 16 wird heute bekanntgegeben 

Wer wird die nächste documenta kuratieren? Die Findungskommission der für 2027 geplanten Schau will ihre Entscheidung jetzt bekanntgeben

von Nicole Schippers  17.12.2024

Nach Assad-Sturz

Libanesischer Politiker ruft Landsleute zur Rückkehr auf

Im von zahlreichen Krisen geplagten Libanon herrscht neue Zuversicht. Nach den Worten eines wichtigen Politikers ist die Weihnachtsfreude in diesem Jahr gar »doppelt so groß«

 17.12.2024

Berlin

Chanukka-Basar in der Synagoge Pestalozzistraße: Kuchen, koscherer Glühwein und ein Bühnenprogramm

Am Sonntag findet der Basar im Innenhof der Synagoge statt. Es gibt ein vielfältiges Bühnenprogramm. Auch die »The Swinging Hermlins« werden auftreten

von Christine Schmitt  13.12.2024

Thüringen

Mario Voigt mit Stimmen der Linken zum Ministerpräsident gewählt

Der CDU-Politiker brauchte nur einen Wahlgang

 12.12.2024

Antisemitismus

RIAS: AfD ist eine Gefahr für Juden in Deutschland

Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus präsentierte auch neue Zahlen zu antisemitischen Vorfällen

 11.12.2024

Amsterdam

Nach antisemitischer Hetzjagd: Haftstrafen für drei Angeklagte gefordert

Einen Monat nach den Übergriffen stehen nun sieben Menschen vor Gericht

 11.12.2024

Brandenburg

Antisemitismusbeauftragter fordert Priorisierung der Bildungsarbeit

Auch die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und Menschen müsse gewährleistet werden, sagte Büttner

 10.12.2024

Berlin

Nach dem Sturz von Assad: Wie geht es nun weiter für die syrischen Flüchtlinge in Deutschland?

von Anne-Béatrice Clasmann  09.12.2024