Auf den ersten Blick wirkt Tamra wie fast jede arabische Kleinstadt auch. Staubige Straßen, Boutiquen mit rüschigen Hochzeitskleidern im Überfluss, Obst- und Ge-
müseläden, ein paar Humusbuden und viele Männer, die scheinbar regungslos in kargen Cafés sitzen und an Wasserpfeifen ziehen. Doch etwas macht dieses Städtchen in Untergaliläa anders als die anderen. Die Jugend des Ortes hängt seit Kurzem nicht mehr nur an der Tankstelle am Ortseingang herum und lässt die Motoren ihrer aufgemotzten Fiats und Peugeots aufheulen. Sie hat Besseres zu tun: Kaffee trinken in der ersten Filiale von »Coffee Bean and Tea Leaf« in einer arabischen Stadt.
Mit Tamra hat die Kette, die bislang 14 Filialen in Israel betreibt, zum ersten Mal den arabischen Markt hierzulande betreten. Im durchgestylten Innenraum mit viel Holz und eleganten Möbeln will man jetzt sehen und gesehen werden. Die Klimaanlage verströmt dezent kühle Luft, kichernde Teenager schlürfen an eisgekühlten Ge-
tränken, junge Männer mit gegelten Haaren bestellen Espresso oder Frapuccino. Hübsche Mädchen, auf dem Kopf züchtige Tücher in Orange, Grün oder Pink, an den Füßen trendige Flip-Flops, probieren ihren ersten Kaffee mit Tiramisu-Geschmack.
Trend Dass Israelis große Kaffeefans sind, ist nichts Neues. Nicht nur morgens und nachmittags, auch abends und sogar nachts wird das koffeinhaltige Getränk im Heiligen Land genossen. Eine Umfrage des Wirtschafts- und Handelsministerium zeigt, dass im vergangenen Jahr 23 Prozent aller Haushalte Cafés besucht haben. Die Menschen genießen ihren Kaffee also gern unter Leuten. Dabei haben sie die Qual der Wahl, denn im ganzen Land gibt es mehr als 1.300 Kaffeehäuser, die meisten in und um die Mittelmeermetropole Tel Aviv. Was heute allerdings angesagt ist, kann morgen schon längst passé sein, das Geschäft mit Coffeeshops ist schnelllebig und riskant. Gründe sind die vielen neuen Unternehmen, die fast ständig auf den Markt drängen, sowie die Fastfood-Ketten, die den Sektor zunehmend überlagern. Ein Beispiel ist das Schnellrestaurant McDonald’s, das sein »McCafé« vor Kurzem in Israel eröffnet hat. Nach dem Auftakt im Flughafen von Ben-Gurion wird das heiße Gebräu jetzt zudem auf dem hippen Rothschild-Boulevard in Tel Aviv ausgeschenkt.
Kaffeetrinken außer Haus ist den Co-
hens und Levis wichtig, hier treffen sie Freunde, diskutieren, streiten und flirten sie. Monatlich werden dafür im Schnitt 200 Schekel (36 Euro) ausgegeben. Wobei es sich die 25.000 Frauen und Männer, die in den Cafés bedienen, oft kaum leisten können, ihr eigener Gast zu sein, der durchschnittliche Monatsverdienst liegt bei umgerechnet lediglich 590 Euro. 41 Prozent der Menschen, die sich zu den Verdienern des oberen Drittels zählen, besuchen regelmäßig ein Café, hingegen lediglich acht Prozent der Geringverdiener. Die arabische Bevölkerung genießt die Kaffeebohne nach wie vor lieber zu Hause: Nur 6,5 Prozent trinken Cappuccino, Espresso und Co. regelmäßig in einem Lokal.
Arabischer Sektor Dennoch will »Coffee Bean and Tea Leaf« innerhalb von zwei Jahren insgesamt acht Filialen im arabischen Sektor eröffnen, darunter in Nazareth, Sachnin und der größten arabischen Stadt Um-Al-Fachem. Hier, im Ara-Tal, leuchtet schon seit etwa zwei Jahren das rot-schwarz-weiße Schild der Konkurrenz »Aroma«. An sieben Tagen in der Woche werden Kaffees und Tees bestellt, dick be-
legte Sandwichs aus hausgebackenem Brot serviert. Das Café, das zu der israelischen Kette gehört, die auch international erfolgreich ist, erfreut sich großer Beliebtheit bei arabischen Gästen aus Um-Al-Fachem und den umliegenden Dörfern sowie jüdischen Kunden, die auf der Durchreise sind.
Nach Auskunft von Kellnerin Jasmin ist es »von morgens bis abends sehr gut besucht«. Innenausstattung, Speisen- wie Getränkeangebot unterscheiden sich nicht von den Lokalen in Tel Aviv, Jerusalem oder Netanja. Hamudi Bilal findet’s gut. »Endlich gibt es diese Ketten auch bei uns«, sagt der Mann aus Um-Al-Fachem. »Alles ist frisch zubereitet und schmeckt prima. Es ist gut, dass wir eine moderne Espressobar in unserer Stadt haben, in der man sich auch geschäftlich treffen kann.« Mehr und mehr Geschäftsleute ziehen die meist lockere Atmosphäre, leichte, erschwingliche Menüs sowie die kabellosen Internetverbindungen der Cafés ihren oft öden Büros mit löslichem Kaffee aus dem Automaten vor.
Kundschaft Mutagei Zahav, die Ma-nagement-Firma von »Coffee Bean and Tea Leaf«, sieht großes Potenzial im arabischen Markt: Es gebe viele besondere Bedürfnisse in diesem Sektor, die bislang noch niemand richtig aufgegriffen hat, weiß Entwicklungsleiter Amir Jatzkan. »Aber wir arbeiten jetzt an einem Warenangebot, das genau auf die arabischen Gäste zugeschnitten ist, damit sie sich bei uns richtig wohlfühlen«, erklärt er. Neben ihrem Einstieg in diesen Markt will die Kette zukünftig auch den anspruchsvollen Kundenwünschen der strengreligiösen Klientel in Je-
rusalem und Bnei Brak Genüge tun. Mit einem glatt-koscheren Angebot an Speis und Trank sollen demnächst auch ultraorthodoxe Kunden zur Kaffeepause gelockt werden.