Stiftungsgesetz

Heimlich, still und leise

von Ingo Way

Der Streit war heftig und endete mit einem Eklat. Jetzt scheinen sich die Kontrahenten wieder anzunähern. Im Januar 2004 hatte der Zentralrat der Juden (und mehrere NS-Opferverbände) seine Mitarbeit in der Stiftung Sächsische Gedenkstätten beendet. Grund war auch das vom sächsischen Landtag verabschiedete Gedenkstättenstiftungsgesetz, in dem laut Zentralrat die Unterschiede zwischen Nationalsozialismus und DDR eingeebnet würden. Der Vorwurf erstreckte sich auch auf die Stiftungssatzung und den Umgang des Stiftungsrats mit den Betroffenen- und Opferverbänden.
Einer der Streitpunkte war die Gestaltung des Dokumentations- und Informationszentrums (DIZ) Torgau. Die Wehrmachtsgefängnisse »Fort Zinna« und »Brückenkopf« in Torgau wurden nach 1945 als sowjetische Straflager weiterbenutzt. In der DDR war »Fort Zinna« ab 1950 ein Gefängnis für vorwiegend politische Häftlinge. Strittig war dabei die Prioritätensetzung: Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Zeit nach 1945. Auch dem Umstand, so die Kritik, daß sich unter den Häftlingen des Sowjetlagers auch Nazis und Kriegsverbrecher befanden, würde keine Rechnung getragen.
In einem Interview mit den »Dresdner Neuesten Nachrichten« vom 1. November hat sich die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange nun gegen eine Gleichsetzung von Nationalsozialismus und SED-Regime ausgesprochen und die Singularität des Holocaust betont. Sie wünsche sich eine erneute Zusammenarbeit von Zentralrat und Opferverbänden mit der Stiftungsinitiative, kündigte entsprechende Gespräche an und stellte zudem eine neue Satzung in Aussicht. Tatsächlich kam es in der vergangenen Woche zu einem Gespräch zwischen Vertretern des Zentralrats, der NS-Opferverbände und des wissenschaftlichen Beirats der Gedenkstättenstiftung, um das der Zentralrat aus eigener Initiative bereits vor 14 Monaten ersucht hatte. Die dem Beirat angehörenden Wissenschaftler erklärten sich schließlich zu einer »Anhörung« bereit. Man diskutierte über eine mögliche Änderung der Stiftungssatzung und schloß diese immerhin nicht völlig aus. Zudem seien in der Ausstellung »Spuren des Unrechts«, die das DIZ Torgau im Schloß Hartenfels zeigt, bereits stillschweigend Korrekturen vorgenommen worden. Nicht mehr alle Häftlinge der Zeit nach 1945 würden als unschuldige Opfer des Stalinismus präsentiert werden. Diese Änderungen seien allerdings noch geringfügig und unzureichend und wurden nicht öffentlich kommuniziert. Andere problematische Aspekte der Gedenkstätte Torgau bleiben weiterhin unverändert, wie etwa das Ehrengrab für die 117 Torgauer Urnen auf dem Gertraudenfriedhof in Halle an der Saale, in denen sich auch die Asche von NS-Kriegsverbrechern befindet.
Immerhin kam es aber zu diesem Gespräch; weitere könnten folgen. Wissenschaftsministerin Stange zeigt sich dem Thema gegenüber jetzt aufgeschlossen. Auch der sächsische Staatssekretär Knut Nevermann gab sich offen gegenüber der Forderung des Zentralrats, für das jeweilige Gedenken an die Opfer der NS-Zeit und des Stalinismus getrennte Beiräte einzuführen, anstatt eines gemeinsamen wie bisher.
Ob der Offenheit auch Taten folgen, bleibt fraglich. Die Satzung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten kann nur der Stiftungsrat ändern. Um den Hauptgrund des Konflikts aus der Welt zu schaffen – das derzeitige sächsische Stiftungsgesetz – sind die Landtagsabgeordneten aller Parteien gefordert.

Erinnerung

Gedenken an ermordete Sinti und Roma Europas

Der 27. Januar ist seit 2005 internationaler Holocaust-Gedenktag

 23.01.2025

TV-Tipp

»Die Frau in Gold« - Helen Mirren und Ryan Reynolds kämpfen um Raubkunst

Drama um das jüdische Kunsterbe einer Familie aus der NS-Zeit

von Franz Everschor  23.01.2025

Kommentar

Die europäische Iran-Politik braucht eine Zeitenwende

Die Chancen, das Mullah-Regime zu schwächen und damit den Nahen Osten zu stabilisieren, sind mit der Präsidentschaft Donald Trumps gestiegen

von Remko Leemhuis  22.01.2025

Westjordanland

Israelische Armee führt Einsatz in Terrorhochburg Dschenin durch

Ministerpräsident Netanjahu zufolge soll damit der Einfluss des Irans geschwächt werden

 21.01.2025

Nahost

Ägypten schickt weitere Hilfe in den Gazastreifen

Rund 220 weitere Lastwagen wurden den Behörden in Kairo zufolge geschickt. Israel hat diesen Monat bereits 1693 LKW mit entsprechender Ladung für Gaza abgefertigt

 20.01.2025

Israel

Regierung will Geisel-Deal am Nachmittag bestätigen

Nach einem vorherigen Plan hätte die Bestätigung erst nach dem Schabbat erfolgen sollen

 17.01.2025

Berlin

Deutscher Appell an Israel und die Hamas

Das Abkommen für eine Waffenruhe im Gazastreifen ist noch nicht in trockenen Tüchern. Deutschland ruft beide Seiten eindringlich zur Zustimmung auf

 17.01.2025

Israel

Sicherheitskabinett beginnt Sitzung zu Gaza-Deal

Voraussichtlich am Samstagabend muss noch die Regierung zustimmen

 17.01.2025

Augsburg/Erfurt/Berlin

Auszeichnungen für Engagement gegen Rechtsextremismus

Mit dem Preis »Das unerschrockene Wort« ehren die deutschen Lutherstädte Menschen mit Zivilcourage. Diesmal geht er an zwei Männer, die angegriffen werden, weil sie sich gegen den Rechtsruck lehnen

 17.01.2025